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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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nicht auf die Idee kommen, unser Leben in die eigenen Hände zu nehmen!
    Bin ich Trottel dem etwa aufgesessen? — Ich?

    Ich denke an die Wochen mit Arne, an die Wochen ohne Arne, die Wochen vor der «Trennung», die Wochen nach der «Trennung». Welche Platte habe ich damals immer gehört? Jeden Tag drei-, viermal. Und mitgesungen? Das Lied von dem «einfachen Bauernmädchen», das im groben Linnen seines Weges wandelt, um seine Arbeit zu verrichten. Das Lied von dem jungen Mann, der ihr zufällig über den Weg läuft, ihr den Hof macht und sie heiratet. Und all das unter freiem Himmel, auf grüner Au.
    Was ist denn nun eigentlich passiert?
    Da kam ein gutaussehender junger Mann, begann auf einem Elbspaziergang mit mir zu flirten, machte mir auf einer Wiese im Jenisch-Park Komplimente, und all das, nachdem er mich eine Stunde kannte. Der Teil mit dem Heiraten fehlt dann zwar — aber es war ja auch so ganz schön.
    Heißt das etwa, daß ich... daß ich meine ganzen schönen Märchenphantasien über Bord werfen muß, um nicht noch mal auf so einen Charmeur reinzufallen? Ist da wirklich so viel Unkraut in meinem Kopf, das ich radikal entwurzeln muß, wenn ich mich vor weiteren Erfahrungen dieser Art schützen will? Nein. Ich will nicht! Ich will nicht! Ich will sie behalten: Meine Vorstellungen vom Märchenprinzen. Sie sind zu schön, um sie einfach als Ballast abzuwerfen. Ich kann nicht!
    Aber wo sind sie denn? Wo sind sie denn, die jungen Männer, die plötzlich aus dem Busch gesprungen kommen und mir den Hof machen? — An jeder Straßenecke, auf jedem Bahnhof, überall sind sie. Und sie sitzen noch nicht mal im Gebüsch. Sie haben es gar nicht nötig. Sie stehen einfach da und zischen mir «hallo, Süße» zu, wenn ich an ihnen vorbeigehe. Pfeifen, schnalzen.
    Da stehen sie ja. Die ganzen Märchenprinzen, die mir die Bestätigung liefern, daß sie mich als Frau attraktiv finden. Da stehen sie. Und der Schwanz steht ihnen schon halb aus der Hose. Meine Güte, bin ich blind. Das sind die Männer, die mich umwerben, obwohl sie mich vor ein paar Minuten zum erstenmal gesehen haben.
    Aber — es ist doch gar nicht so, daß alle Männer immer nur «das eine» wollen. Arne kam doch auch aus dem Nichts. Und der wollte nicht nur mit mir schlafen. Der war doch nun wirklich mein Märchenprinz. Also gibt es so was doch. Brauch ich das Unkraut in meinem Kopf nicht zu jäten. Es gibt ihn vielleicht doch, den Märchenprinzen. Vielleicht muß ich nur noch ein bißchen warten... warten... warten... warten...
    Wie sieht es denn in der Realität aus bei mir? Mit dem Warten zum Beispiel. Wie sah es denn die letzten drei Jahre aus? Wer hat denn da wem den Hof gemacht? Wer hat da wen umworben? — Wochenlang bin ich hinter irgendwelchen Männern hergelaufen, in die ich verknallt war. Hab angerufen, diverse Freizeitangebote gemacht, mich nicht abschütteln lassen, bis ich einen endgültigen Korb gekriegt hatte. Wie es sich für eine emanzipierte Frau gehört. Ich hatte keine Lust mehr, weiblich, still und passiv zu Hause zu sitzen und drauf zu warten, bis mich mal einer umwirbt. (Da könnt ich auch lange warten.) Dann schon lieber aus der weiblichen Rolle ausbrechen und den aktiven Teil der Balz übernehmen. Daß frau dabei Körbe kassieren muß ist klar. Warum auch nicht? Das muß frau schließlich lernen.
    Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Arne in der Anfangszeit unserer Beziehung, wo ich ihm erzählt hatte, daß ich es gewohnt bin, Männern immer ellenlang hinterherzurennen.
    «Mir bist du nicht hinterhergerannt», meint er.
    «Dazu ging es bei uns ja alles etwas zu schnell. Wenn du nicht den Anfang gemacht hättest, dann wäre ich hinter dir hergerannt. Das hättest du haben können.»
    Etwas scherzhaft bedauert Arne es, daß er sich diese Möglichkeit genommen hat. Damals. In dem Gespräch. Aber nun hat er sie ja, diese Möglichkeit. Seit einigen Monaten... Nun renn ich ja hinter ihm her. Das kann ich. Das hab ich jetzt gelernt. Wenn ich jemann-den gerne mag, kann ich sehr hartnäckig sein. Und die Körbe, die ich kassiere, kratzen nur noch leicht an der Oberfläche meines Selbstbewußtseins. Schüchtern mich nicht mehr ein. Das nächste Mal mach ich’s wieder. Und immer wieder.
    Daß ich es kann, weiß ich. Aber es ist etwas anderes, was mich auf den Märchenprinzen warten läßt: Ich werde müde... entsetzlich müde... Emannzipation ist ja ganz schön... aber auf die Dauer. .jj ich möchte auch mal wieder dasitzen und

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