Der Tod des Maerchenprinzen
Dir wünsche — immer noch.
Aber mit jedem bißchen Zärtlichkeit von Dir wachsen auch meine Illusionen. Ich dachte, ich könnte im Zusammensein mit Dir verarbeiten, aber meine «Verarbeitung» bestand bisher darin, daß ich die Trauer in Unwohlsein, die Tränen und den Kloß im Hals in einen Druck im Bauch und Übelkeit verwandelt habe. (Wieso Liebeskummer? Ich weine doch nicht!)
Als ich Freitag die Elbchaussee entlangfahren mußte und an eine Stelle kam, wo wir uns auf unserem ersten Spaziergang geküßt haben, war sie wieder da — diese maßlose Übelkeit.
Wann werde ich an die schönen Stunden mit Dir denken können, ohne daß sich mein Magen verkrampft? Und wieso überhaupt kann eine Beziehung von wenigen Wochen so tief gehen, daß ich Monate brauche, um wieder auf die Füße zu kommen?
Mir ist heute so etwas klarergeworden, was die Gründe dafür sind, aber auf die will ich jetzt nicht eingehen.
Als ich das vorhin mit Jan und Uschi diskutieren wollte, meinte Uschi, daß ich die Trauer nicht wegdiskutieren kann, sondern sie rauslassen muß. — Und ich finde, sie hat recht. Ich habe die ganze Zeit versucht, meine immer noch vorhandenen Gefühle über ’n Kopf wegzukriegen, sie auch gar nicht richtig hochkommen zu lassen, sie Dir vor allen Dingen nicht zeigen wollen, damit Du Dich nicht eingeengt, belastet oder sonstwas fühlst. Dich mir gegenüber unbefangen verhalten kannst, so «als wenn nichts wäre».
Verdammte Scheiße, und ich? Bin ich denn Dir gegenüber unbefangen? Wieso hast Du eigentlich die ganze Zeit nichts gemerkt? — Bist Du so blind, oder kann ich so gut Theater spielen? —
Mein Hauptproblem ist im Moment, wie ich diese Trauer, die ich jetzt in mir hochkommen lasse, verarbeiten kann. Ich glaube, ich mache es mir selber viel schwerer, wenn ich mich dauernd mit Dir treffe. Deshalb mußte ich Dich Freitag nacht auch wegschicken. Ich konnte es einfach nicht ertragen, mit Dir in einem Bett zu liegen und Dir doch nicht nahe zu sein. Es hätte in der Nacht auch wirklich nichts genützt, noch irgendwas zu diskutieren, weil ich da noch gar nicht trennen konnte, was eigentlich wesentlich war/ist...
Als Du dann weg warst, konnte ich schlafen... Vorher ging’s einfach nicht, weil tausend unausgesprochene Sachen im Raum standen.
Aber andererseits will ich Dich ja sehen und fühle mich dann auch manchmal sehr wohl mit Dir.
Als Du mich neulich gefragt hast, was ich für ’n Verhältnis zu Dir habe, habe ich gelogen. Ich hatte gesagt, daß ich Dich nicht mehr ernst nehme, das dann aber sofort abgemildert, daß Du 2. ’n totaler Chauvi und Mackertyp bist und daß ich 3. manchmal ganz gern mit Dir zusammen bin.
Bis auf Punkt 2 war alles untertrieben. — Es ist wirklich so, daß ich Dich manchmal nicht mehr ernst nehme. (Ich möchte Dir das jetzt erklären, aber mir fällt es schwer, das zu beschreiben, was ich damit meine. Ganz klar ist es mir also selber nicht.)
Und es ist eben nicht so, daß ich «ganz gerne mit Dir zusammen bin», sondern daß ich Dich immer noch unheimlich lieb habe.
An dem Abend, wo wir dieses Gespräch hatten, ist mir in der Nacht so klargeworden, daß ich erst mal nichts mehr von Dir wollte, als mit Dir schlafen. Ich hatte nur noch im Kopf, daß jede Auseinandersetzung mit Dir umsonst ist, weil Du doch nichts lernst, und es blieb für mich nur noch der Wunsch nach Deiner Zärtlichkeit. Und erst in der Situation konnte ich Dir sagen, daß ich mit Dir schlafen möchte, weil ich zum erstenmal das Gefühl hatte, nichts mehr verlieren zu können. Ich wollte ja nur noch das.
Bestätigt hast Du mich in meiner Haltung auch noch, als Du dasselbe Diskussionsprinzip, das ich Dir am Abend drei- oder viermal mit ’ner ganz ausführlichen Kritik auseinandergenommen habe, mir am Morgen wieder vor die Füße knallst, ohne es zu merken! Da war in meinem Kopf nur noch: Der lernt nix mehr! ... Aber lieb kann er sein. —
Aber verdammt — ich kann doch nicht mit jemanndem schlafen wollen, der nur Chauvi und Mackertyp ist und den ich nicht mehr ernst nehme! Irgendwas stimmt doch da nicht! — Von Jan hab ich auch mal gesagt, der kriegt nix mehr in seinen Kopf, mit seinen 32 Jahren, der lernt nix mehr! Nachdem ich ihn ein Jahr lang bearbeitet habe, hat es noch Monate gedauert, bis bei ihm was geklickert ist... aber dann ist der Groschen auch gefallen. Und heute ist Jan mein bester Freund.
Das war das, was ich im Kopf hatte, als ich mich am letzten Freitag mit Dir getroffen habe. Ich
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