Der Tod des Maerchenprinzen
vielleicht «ergibt sich» ja auch von alleine was. Ich meine... ich hab doch deshalb so dringend darauf bestanden, mich diesen Freitag mit ihm zu treffen, weil es noch in der «ungefährlichen» Zeit ist... ich meine... falls sich was ergibt...
Der Film ist doof. Wir schalten den Fernseher ab. Ich bin schon unter der Bettdecke. Arne zieht sich auch aus. Kommt ins Bett. Wieder die Hand, die vorm Einschlafen in meiner landet. Ganz selbstverständlich. Arne schläft ein... es ergibt sich nichts.
Ich liege wach. Fange an, mich über mich selber zu ärgern. Irgendwie habe ich «selber Schuld». Aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Ich liege wach, und der Kerl schläft. Ich weiß, daß ich ihn wieder wecken werde. Das weiß ich. Ich mache nicht alleine eine schlaflose Nacht durch. Auch wenn Arne nicht «schuld» daran ist, daß ich es mal wieder nicht gebracht habe — auch wenn er nichts dafür kann: Ich habe das Recht, ihn zu wecken! Und diesmal brauche ich dafür auch nicht bis nachts um drei.
Es ist so gegen eins, als ich das Licht anmache. «Eh, wach mal auf!» Arne wacht auf. Wahrscheinlich denkt er: Was will die Alte denn nun schon wieder? Jetzt will die wieder mit mir pennen. Aber er sagt nichts. Guckt nur etwas verwirrt. Die Situation als solche ist ihm ja nicht unbekannt.
«Ich wollte heute abend was mit dir diskutieren... aber ich hab das vorhin nicht gebracht... Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir diskutieren das jetzt, oder ich fahr dich jetzt nach Hause.»
Arne guckt eine Weile in die Luft und meint dann: «Ich versteh nicht, warum ich nicht hierbleiben kann, wenn wir das nicht diskutieren?»
«Weil ich dann lieber allein sein möchte.» Das reicht als Begründung. Das muß er akzeptieren. Er guckt wieder in die Luft. Eine ganze Weile.
«Was ist denn nun?»
«Ja, ist gut. Laß uns das diskutieren!»
Mir ist nicht wohl dabei. Draußen regnet es. Arne liegt hier im warmen Bett und versteht erst nicht, warum er nicht hierbleiben kann, wenn wir das nicht diskutieren. Und als ich deutlich mache, daß ich nur die Alternative diskutieren oder nach Hause zulasse, entscheidet er sich fürs Diskutieren.
«Laß uns das diskutieren», sagt er.
«Warum hast du dich denn jetzt so entschieden?» frage ich etwas argwöhnisch.
«Das laß man meine Sache sein.»
«Nee!» kontere ich spontan und empört. Das ist nicht seine Sache, wenn ich das Gefühl habe, er diskutiert nur mit mir, weil das das kleinere Übel ist.
«Dann geh ich jetzt!» Arne springt aus dem Bett.
Mir fällt ein Stein vom Herzen. Obwohl mir das die ganze Zeit selber nicht klarwar. Ich dachte wirklich, ich könnte jetzt mit ihm diskutieren. Aber plötzlich merke ich, daß mir das jetzt viel zu anstrengend gewesen wäre. Daß ich ihn in erster Linie doch lossein wollte. Mir wird wirklich wohler, als er sich jetzt anzieht.
Als er auf der Bettkante sitzt und sich seine Strümpfchen anzieht sagt er plötzlich ganz bockig: «Ich wär sowieso hinterher gegangen!» Mit anderen Worten: Bild dir bloß nicht ein, du hättest mich rausgeschmissen. Ich bin ganz von alleine gegangen.
Ich sage nichts dazu. Glaub es ihm nur nicht.
Als er seine Lederjacke anhat und nach der Türklinke faßt, sagt er ganz «normal», richtig etwas freundlich: «Tschühüs!»
Zum erstenmal ahne ich, daß ich den armen Kerl ganz schön verunsichern kann. Die Wohnungstür klappt zu. Einige Minuten später die Haustür unten. Arne ist weg. Ich schlafe ein.
Am nächsten Tag setze ich mich nach langer Zeit zum erstenmal wieder hin, um ein Bild zu malen. Ein Bild in unheimlichen, kalten Grau- und Blautönen. Ein blutbeflecktes Bett in einem kahlen Raum. Ein offenes Fenster. Kein Schutz mehr vor dem, was draußen im fahlen Mondlicht herumgeistert. Ein alles durchziehendes Spinnennetz. Erste Zeichen von Zerfall und Verwesung.
Was ist in diesem Zimmer geschehen? Wessen Blut ist das? Ist jemand tot? Oder nur verletzt? Ist das mein Blut? Verblute ich im Schmerz um den verlorenen Geliebten? Ist das das Blut des Märchenprinzen? Wer hat ihn getötet? Das war ich doch nicht selber. Oder? — Wo ist die Leiche? Vielleicht ist wirklich noch niemand gestorben. Der Mordanschlag mißglückt.
Ich male ein Bild. Ich male Blut. Ich weiß nicht, wessen Blut das ist. Die Idee zu diesem Bild gärte seit einer Woche in mir. Ich mußte es malen.
Ich kann nicht mehr schreiben, seit ich Arne vor drei Tagen aus dem Bett geschmissen habe. Obwohl mir die ganze Zeit durch den Kopf ging,
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