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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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umworben werden. Ich finde das nicht unemanzipiert. Daß ich aktiv werden kann, das weiß ich. Das brauche ich mir nicht mehr zu beweisen. Aber es ist so anstrengend, wenn es immer nur so rum läuft. Und wenn dann mal wieder einer angeritten kommt... und mir die Arbeit abnimmt. .» dann...
    Ja — was mache ich dann eigentlich? Dann ruhe ich mich ganz gemütlich auf meinen Märchenklischees aus und «erhole» mich von meiner Emanzipation.

    Ist das Emanzipation?
    Aber es ist nicht nur in solchen Nebensächlichkeiten das Märchenprinz-Klischee gewesen, das Arne in meiner Phantasie angesprochen hat. Nicht nur, daß er mich verführt hat. Nicht nur, daß es Liebe auf den ersten Blick war. Zu meinem Märchenprinzen gehörte auch immer, daß ich ohne Angst mit ihm schlafen kann. Ohne die Angst, daß ich meine sexuellen Bedürfnisse erst gegen ihn durchsetzen muß, damit es auch für mich schön wird. Der Märchenprinz in meiner Phantasie hat sich immer mit mir zusammen ins weiche Moos gelegt und genau das gemacht, was ich schön fand. Mit den ganzen anderen Männern war das immer so, daß ich erst stundenlange Diskussionen führen mußte, um ihnen zu erklären, was ich schön finde. Und dann haben sie’s noch nicht mal begriffen. Sexualität hieß immer, erst mal einen Haufen Worte verlieren zu müssen. Worte, um gegen die männliche Sexualität anzukommen. Bei Arne brauchte ich das nicht. Ich mußte ein paar Worte zur Verhütung verlieren, sicher. Da mußte ich einige Worte verlieren. Aber über alles andere nicht. Ich brauchte meine Bedürfnisse gegen nichts durchzusetzen. Er hatte dieselben. Emanzipation hieß für mich bisher immer, meine Bedürfnisse endlich auszusprechen. Hier hieß Emanzipation plötzlich, sie nicht einmal mehr aussprechen zu brauchen. Keine Trennung mehr zwischen Zärtlichkeit und Sexualität. Bei anderen Männern ist es mit der Zärtlichkeit vorbei, wenn sie ihren Schwanz erst mal in mir drin haben. Dann geht der ernstere Teil der Sache los. Da ist kein Platz mehr für Ruhe und Wärme. Da ist nur noch Platz für die Jagd nach dem Orgasmus. Da wird gerammelt. Und wenn sie sich auch dabei noch ein paar Streicheleinheiten abringen, dann merkst du genau, daß sie es in Bravo und Jasmin gelesen haben. Daß Frauen Zärtlichkeiten möchten. Daß das der Preis ist, mit dem sie sich ihr Gerammel erkaufen können .
    Bei Arne habe ich gespürt, daß er es macht, weil er es selber schön findet. Daß auch er die gleichen Zärtlichkeiten braucht. Auch während wir miteinander schlafen. Daß er es nicht «für mich» macht, sondern daß es aus ihm selber kommt. Daß es ehrliche Zärtlichkeit ist. Deshalb war Arne mein Märchenprinz. Deshalb ist er für mich so etwas ganz anderes als andere Männer. Deshalb bin ich immer noch nicht über ihn hinweg. Weil er für mich bisher der einzige Mann ist, mit dem ich so etwas erlebt habe. Wenn ich mal bedenke, mit wieviel Männern ich schon geschlafen habe, dann komme ich auf den statistischen Wert, daß 3 Prozent aller Männer so sind wie Arne, 3 Prozent! Ich werde wahnsinnig. Wo soll ich die denn suchen? Mit den anderen 97 Prozent will ich jedenfalls nichts mehr zu tun haben. Ich will nicht wieder einen, mit dem ich erst noch diskutieren muß. Ich will nicht wieder einen, der sich Mühe gibt, zärtlich zu sein, weil er das irgendwo gelesen hat. Dann will ich lieber gar keinen.

    Hamburg, 10.12.79
    Lieber Arne!
    Ich will Dir seit drei Tagen schreiben, mir war nur immer nicht klar, was ich Dir eigentlich schreiben will, weil immer zwei Sachen durcheinandergingen. Nämlich einmal die inhaltliche Auseinandersetzung mit Dir, wo auch noch vieles nicht ausgesprochen ist, und zum anderen meine nicht verarbeiteten Gefühle Dir gegenüber.
    Als ich Dich Freitag nacht geweckt habe, ging es mir noch um beides. Inzwischen ist mir klargeworden, daß ich mich selber bescheiße, wenn ich beide Themen gleichrangig behandle bzw. mir sogar sag: Wenn ich die inhaltliche Auseinandersetzung weitermache, verarbeite ich dabei auch meine Gefühle.
    Ich tue das Gegenteil: Ich schüre meine eigenen Illusionen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, Dir zu erklären, was sich in den letzten zwei Monaten seit unserer «Trennung» bei mir abgespielt hat. Ich hab jedenfalls gemerkt, daß ich meine Trauer am Anfang nur verdrängt habe. Ich habe mich auf eine «freundschaftliche» Beziehung zu Dir eingelassen, weil ich dann wenigstens einen Bruchteil von dem bekomme, was ich mir eigentlich von

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