Der Tod des Zauberers
lang angehört hatte, anstatt ihm den Eintritt ins Haus zu verbieten. Dann hörte ich das Geräusch seines Wagens sich hinter den Scheunen verlieren.
>Was wollte dieser Kerl eigentlich?« fragte ich schließlich.
Vicky kam mir einen Schritt entgegen, mit schlaffen Armen und im Gesicht weiß wie Kalk.
>Er hat mir gesagt, daß er Alexander in Wartaweil gesehen hat und daß er ihn mit oder ohne unsere Erlaubnis über die Wahrheit aufklären wird. Und er hat gesagt, ebensowenig, wie er auf Alexander ein Anrecht hätte, hätten wir ein Recht, ihn daran zu hindern, sich mit Alex in Verbindung zu setzen und an Alexander gutzumachen, was er für ihn zu tun so lange versäumt hat.<
Ich täuschte mich in Victorias Haltung. In Wirklichkeit war sie völlig kraftlos und erschöpft. Ich aber glaubte, aus ihren Worten herauszuhören, daß sie Manuelis Absichten billige und sich im Interesse eines Vermögens, das dereinst Alexanderzufallen sollte, zu Manuelis Fürsprecherin mache. Ich weiß nicht, was ich ihr gesagt habe, bevor ich glühend vor Zorn aus dem Zimmer rannte. Es ist durchaus möglich, daß ich ihr gegenüber meine Absicht, Manueli zu töten, ausgesprochen habe. Eins weiß ich gewiß, daß neben meinem besinnungslosen Grimm eine eiskalte Überlegung einherlief, Manueli niederzumachen. Ich lief zu meinem Schreibtisch, steckte den vergessenen Paß zu meinen Papieren und lud das Magazin meiner Pistole. Merkwürdigerweise erfüllte mich der Besitz des Reisepasses mit einer gewissen Genugtuung und Sicherheit, als würde ich nach vollbrachter Tat mit dem Grenzübertritt in ein anderes Land dort vor jeder Sühne und Verantwortung sicher sein. Es mag töricht klingen, aber so empfand ich es in jener Stunde, soweit ich an die Folgen meiner Tat überhaupt dachte.«
Er gönnte sich eine Atempause und lag eine Weile erschöpft und mit geschlossenen Augen vor mir.
»Das alles mochte eine knappe halbe Stunde in Anspruch genommen haben. Hansi bin ich, nachdem ich Victoria verlassen hatte, nicht mehr begegnet. Ich glaube, Sofie gesehen zu haben, die mit irgendwelchen Medikamenten oder Kompressen und mit vorwurfsvollen Augen an mir vorüberhuschte, um sich Vicky zu widmen. Sie wissen ja selbst, wie sie an ihr hängt. Ich verließ Pertach, schlug an der Wegkreuzung vor Achenreuth die Straße nach Moosach und Neukirchen ein, fuhr dort mit ziemlich starkem Tempo dahin und drehte um, als es endlich zu dämmern begann. Bei halber Dunkelheit fuhr ich auf Feldwegen um Achenreuth herum und stellte den Wagen etwa einen halben Kilometer hinter dem Dorf in ein Gehölz. Die Dunkelheit war völlig hereingebrochen, als ich mich zu Fuß dem >Botenwirt< näherte. Im Einfahrtstor zu den Garagen der Wirtschaft stand der Hausknecht, er war betrunken, aber nicht so betrunken, daß er mir auf meine Frage nach Manueli keine Antwort geben konnte. Er glotzte mich an und lallte, der Herr wäre noch nicht da, aber seine Gspusi warte auf ihn im Gastzimmer. Ich gab ihm in der Hoffnung, daß er verschwinden und sich völlig betrinken möge, irgendeinen Geldschein, es mögen fünf oder zehn Mark gewesen sein. Und er verschwand prompt in der Gassenschenke. Das Hoftor hatte er offenstehen lassen. Ich ging im Schatten der Mauer zu den Garagen. Der Mond stand im ersten Viertel und verbarg sich meist hinter Gewölk. Es hatte am Tag geregnet. Eine von den Garagen stand offen, es konnte nur die sein, in der Manueli seinen Wagen abstellen würde. Und es dauerte auch nicht lange, daß ich die starken Scheinwerfer seines Wagens sah, die schon aus weiter Entfernung die Dächer des Dorfes anstrahlten. Sie wissen vielleicht: die Garagen im >Botenwirt< bestehen nicht aus Einzelboxen. Das Gebäude ist ein ehemaliger Stall mit vier oder fünf nachträglich angebrachten Toren, und im Innern nur einmal durch die Tragmauer des alten Futterbodens unterteilt. Als Manueli in den Hof einfuhr, zog ich mich tiefer in den Raum zurück, der aber taghell erleuchtet wurde, als Manueli das Einfahrtstor passierte. Die weiß gekalkten Wände warfen das Licht zurück und strahlten es nach allen Seiten ab. Trotzdem sah er mich nicht sogleich, denn er war, nachdem er den Wagen kurz vor der Rückwand abgebremst hatte, damit beschäftigt, die Scheiben hochzukurbeln. Erst als er den Schlag öffnete, um auszusteigen, entdeckte er mich. Ob ich die Pistole schon in der Hand hielt oder erst in diesem Augenblick aus der Tasche zog, weiß ich nicht mehr zu sagen.
>Was wollen Sie?< fragte er und griff
Weitere Kostenlose Bücher