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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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wenig Gesellschaft und Zerstreuung bekäme. Sie kam aus der Großstadt, hatte sich als Schauspielerin einen Namen gemacht, und Pertach lag wirklich außerhalb der Welt. Damals vielleicht noch mehr als heute, da man es auch ohne Auto erreichen kann, wenn man den Weg bis zur Bahn nach Achwalchen nicht scheut. Fünf Kilometer...«
    »Hm«, brummte Wildermuth, »würden Sie als älterer Mann einer so jungen und — wie Sie sagen — bildschönen Frau Männer Ihres damaligen Alters einladen? Ich nehme an, daß Sie damals fünfundzwanzig waren, wie?«
    »Nicht einmal. Ich war dreiundzwanzig und gerade mit dem Studium fertig. Aber weshalb sollte er mich nicht einladen?«
    »Weshalb nicht? Ich will es Ihnen genau sagen: weil ich vor Eifersucht wahrscheinlich geplatzt wäre!«
    »Da kennen Sie Textor schlecht, mein Lieber. Er war damals ein Mann, der uns alle in den Sack steckte, und er ist es auch heute noch. Und er war sich seiner Liebe und der Liebe seiner Frau so sicher, daß es ihm nicht einmal im Traum eingefallen wäre, in mir oder ein paar anderen Leuten, die er an sich heranzog, eine Konkurrenz zu sehen. Nun, und wenn es uns etwa eingefallen wäre, Victoria Textor anders als in freundschaftlicher Verehrung zu begegnen... Ach, es ist völlig sinnlos, darüber ein Wort zu verlieren. Selbst ein Blinder sah, daß Victoria Textor für niemanden als für ihren Mann und für ihre Kinder lebte.«
    »Sehr gut«, sagte Wildermuth und ließ die Hand auf den Schreibtisch fallen, »genauso habe ich mir Stephan Textor und sein Verhältnis zu seiner Frau vorgestellt. Und wie war er sonst?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »War er ein jähzorniger Kerl? Ein Raufer, wenn er einen zuviel hinter die Binde gegossen hatte? Ein Querulant, unverträglich mit seinen Nachbarn, ein Prozeßhansl, ein Mann, der nie eine ihm zugefügte Beleidigung vergaß und der zu fürchten war, wenn er mal in Rage geriet?«
    »Ich verstehe nicht, was Sie wollen. Er war genau das Gegenteil. Das heißt, bis auf seine gelegentlichen Temperamentsausbrüche, bei denen er sich aber niemals so weit gehen ließ, daß etwa die Türen und die Teller flogen. Eigentlich war er ein Philosoph. Nehmen Sie das dicke Wort nicht allzu schwer. Ich meine, er lebte nach sehr fest verwurzelten ethischen Grundsätzen, die ihm einfach im Blut lagen. Er entstammt einem guten Stall. Und er erzog seine Kinder so vorbildlich, wie ich meine eigenen einmal erziehen würde, wenn ich welche hätte.«
    Wildermuth blinzelte mich an: »Hm, dann wird es aber bald Zeit für Sie, mein Lieber, sonst werden Sie überständig.«
    Ich griff nach meinem Glas und nahm einen kräftigen Schluck. In seinem Gesicht veränderte sich plötzlich der Ausdruck, auch seine lässige Haltung straffte sich.
    »So«, sagte er grimmig, »das ist also der selbe Mann, der mit einer Pistole bewaffnet in die Nacht hinausrennt, Hausknechte betrunken macht, um Zeugen zu beseitigen, stundenlang in finsteren Gehölzen parkt, heimlich nach Achenreuth zurückschleicht, sich endlos lange im Schatten von Mauern und Bäumen verborgen hält, in dunklen Scheunen auf sein Opfer lauert und aus Eifersucht das Magazin der Pistole in Manuelis Brust und Hals so lange entleert, bis ihn eine Ladehemmung zwingt, Schluß zu machen!«
    »Was wollen Sie eigentlich?« fragte ich irritiert, denn ich hatte das Gefühl, er mache sich mir gegenüber zu Stephan Textors Verteidiger.
    »Sehen Sie, lieber Freund«, sagte er, sank wieder in seinen Armstuhl zurück und ließ die Hände schlaff baumeln, »jedes Verbrechen hat seine Logik. Wenn ein roher Bursche in einem Park einen alten Rentner niederschlägt und beraubt, dann erwartet er doch, in dessen Börse zum mindesten ein paar Pfennige zu finden. Er kann sich dafür die Zigarette kaufen, nach der es ihn gerade gelüstet. Man kann sich an den Kopf greifen und kann sich fragen, ob diese magere Beute einen Mordversuch lohnte. Es mag in Ihren Ohren zynisch klingen, aber das sind Dinge, denen ich täglich begegne und bei denen ich mir sagen muß: es ist wenigstens ein reelles Motiv vorhanden. Was aber versprach sich ein Mann von Textors Intelligenz — wenn wir schon von seinen sonstigen Charaktereigenschaften absehen wollen — von diesem Mord an Manueli?«
    »Das habe ich mich gefragt und das habe ich ihn gefragt!« rief ich erregt. »Denn was schafft er mit dieser Wahnsinnstat schon aus der Welt? Selbst wenn er darauf hoffte, als Täter nie entdeckt und vor den Richter gezogen zu werden, so mußte dieser

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