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Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Titel: Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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sprach man von „Hirschauer Stückeln“. Sogleich musste er an Margarete von Leiden denken. Hatte sich Freddy mit Max Polanski wegen ihr geschlagen?
    „Der Freddy ist schwer verschuldet. Die Gläubiger sind seit Wochen hinter ihm her. Warten nur das nächste Rennen noch ab. Falls er nicht gewinnen sollte, dann Gnade ihm Gott!“ Bei seinen letzten Worten grinste Max wieder überheblich.
    Gustav erwähnte mit keinem Wort, dass er mit Freddy bereits geredet hatte, sondern verabschiedete sich hastig von Polanski, bevor auch er die Beherrschung verlieren und ihm sein blödes Grinsen aus dem Gesicht prügeln würde.
    10
    Als Gustav nach Hause kam, wollte er seiner Tante sogleich die wichtigen Neuigkeiten mitteilen. Doch sie schien nicht besonders interessiert an seinem Fall zu sein. Sie machte sich Sorgen wegen der letzten, sehr beunruhigenden politischen Ereignisse.
    „Alles strebt in die Hauptstadt, die Bevölkerung explodiert richtiggehend. Seit der Weltausstellung herrscht akute Wohnungsnot, die Obdachlosen werden von Tag zu Tag mehr.“
    „Ich weiß. War heute unten in den Donauauen, dort hausen unzählige Vagabunden. Ein Schutzmann hat mich sogar vor ihnen gewarnt.“
    „Typisch für unsere Gesetzeshüter! Dein Freund Rudi ist eine rühmliche Ausnahme. Diese armen Kerle tun keinem was, die fürchten sich selbst zu Tode. Habe gehört, dass sie unter den neu erbauten Brücken nächtigen. Und am Laaerberg entstehen fast wöchentlich neue illegale Obdachlosensiedlungen. Du hast sicher keine Vorstellung davon, unter welch unmenschlichen Bedingungen die Leute dort dahinvegetieren. Wir hatten heute Redaktionssitzung. Die Wohnungsmisere, die rapide Teuerung und die exorbitante Arbeitslosigkeit sind momentan Thema Nummer eins. Diese skandalösen Zustände schüren den Fremdenhass und verschärfen die Nationalitätenprobleme. Aber die Einwandererströme reißen nicht ab. Und wer profitiert davon? Natürlich die Deutschnationalen.“
    „Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass zwei Fünftel der Bevölkerung Analphabeten sind“, warf Gustav zynisch ein.
    Seine Tante missverstand ihn, glaubte, er würde von den Zuwanderern sprechen.
    „Sie können halt noch nicht Deutsch. Woher sollen sie das Schulgeld nehmen?“
    „Angeblich brauchen wir ja dieses Heer von Arbeitern und Hilfskräften aus der Tschechei und Böhmen, um all die großen Bauaufgaben in Wien zu bewältigen, hat zumindest unser Ministerpräsident be-hauptet.“
    „Unser Ministerpräsident ist kein Idiot. Graf Badenis Idee einer neuen Sprachverordnung ist grandios. Jeder Mensch sollte das Recht haben, sich in seiner Muttersprache an die Behörden wenden zu können. All diese Tumulte zwischen Tschechen und Deutschen im Parlament sind nichts als Auswüchse kleinkarierten nationalistischen Denkens.“
    „Wahrscheinlich werden diese ungelösten Nationalitätenkonflikte zum Zusammenbruch der parlamentarischen Ordnung führen.“
    „Oder gar zum Untergang der Monarchie?“
    „Alles ist möglich.“
    „Gott beschütze unseren Kaiser.“ Josefa bekreuzigte sich, bevor sie Gustav einen Kaiserschmarrn mit Zwetschkenkompott hinstellte.
    „Danke Josefa, du bist ein Schatz!“ Er gab seinem alten Kindermädchen ein Zwickerbusserl.
    „Lass sie in Ruh.“ Vera war nicht nach Scherzen zumute. „In den Außenbezirken schießen ständig neue Fabriken aus dem Boden. Der Wohnbau und der Bau sozialer Einrichtungen hält nicht damit Schritt. Die Zahl der Bettgeher steigt stetig.“
    „Wir könnten von Hermann mehr Miete verlangen“, schlug Gustav mit vollem Mund vor.
    „Ich bin so froh, dass dieser schreckliche Mensch immer so früh das Haus verlässt. Ich kann ihn nicht mehr sehen. Seit ihm seine Frau davongelaufen ist, rennt er dauernd zu den Versammlungen der Deutschnationalen. Ist dir das auch aufgefallen?“
    „Sie war viel zu schön für ihn.“ Gustav musste unwillkürlich an die schnelle Nummer im Vorhaus vor zwei Monaten denken. Er hatte die fesche Gretl im Takt von Tante Veras Schreibmaschine genommen. Ein Akt von fünf Minuten, der nicht der schlechteste seines Lebens gewesen war. Er hatte sie an die Wand gepresst, ihr die Röcke hochgezogen und war, ohne sie vorher zu streicheln, in sie eingedrungen. Sie waren beide so erregt gewesen, dass jede Zärtlichkeit störend gewesen wäre. Kurz danach hatte Gretl ihren Langweiler von Ehemann verlassen. Was aus ihr geworden war, wusste er nicht.
    „Hermann ist so borniert!“
    „Wie halt alle kleinen Beamten.“
    „Im

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