Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
immer mehr zu einem riesigen Sportplatz, dachte Gustav und raffte sich endlich dazu auf, Max Polanski anzuspre-chen.
„Mein Name ist Gustav von Karoly. Ich würde gern kurz mit Ihnen reden. Rein geschäftlich.“
Polanski musterte ihn von Kopf bis Fuß. Gustavs vornehme Statur schien einen gewissen Eindruck auf ihn zu machen. Er lüftete seinen Hut und bat ihn, Platz zu nehmen.
„Kennen wir uns?“
„Vom Hörensagen.“
Die beiden Burschen blickten ihren Chef fragend an.
„Ich würde gern unter vier Augen mit Ihnen sprechen.“
„Verdünnisiert euch“, befahl Max seinen Leuten. Sie schnappten ihre Biergläser und machten sich aus dem Staub.
Gustav registrierte mit einem Blick aus den Augenwinkeln, dass sie ein paar Meter neben der Schenke stehen geblieben waren und ihn beobachteten.
„Wer sind Sie und was wollen Sie?“, fragte Max, durchaus nicht unfreundlich.
„Die Baronin von Leiden hat mich beauftragt, ihre Tochter, die vor ein paar Tagen spurlos verschwunden ist, zu finden. Und ich dachte mir, dass Sie, als mächtiger Mann hier im Wurstelprater, mir bei der Suche nach dem jungen Mädchen behilflich sein könnten.“
Gustav bemerkte, dass Max kurz die Sprache wegblieb. Sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich einige Male, bevor er antwortete.
„Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen könnte. Ich kenne zwar die Damen, aber mir war bisher nicht bekannt, dass die Baronesse verschwunden ist.“
Gustav musterte ihn weiterhin, wie er hoffte, unauffällig.
Max Polanski war auf eine primitive Art und Weise gut aussehend. Er war groß und kräftig gebaut, hatte ein kantiges Gesicht, strahlende blaue Augen, eine kräftige Nase und ein energisches Kinn. Eine widerspenstige Haarlocke hing ihm in die Stirn und verlieh ihm etwas Jungenhaftes. Dennoch wirkte er ziemlich derb und brutal.
Womöglich fand Margarete genau diese Vierschrötigkeit anziehend? Nein, das konnte nicht sein! Es war unvorstellbar, dass diese zarte, vornehme Frau mit so einem primitiven Kerl das Bett geteilt hatte.
Gustav beschloss, mit offenen Karten zu spielen.
„Leonie von Leiden ist seit Tagen nicht mehr gesehen worden. Bisher ist keine Lösegeldforderung bei der Familie eingelangt ...“
„Vielleicht ist die Kleine einfach davongelaufen. Das kommt ja selbst in höheren Kreisen manchmal vor.“
Sein süffisantes Grinsen ärgerte Gustav.
„Ich habe mir sagen lassen, dass hier nichts ohne Ihr Wissen passiert. Wenn sich Leonie von Leiden also irgendwo im Wurstelprater versteckt hat, dann würden Sie Bescheid wissen, nehme ich an.“
„Na, na, nicht so heftig, Herr Major. Sie waren doch Major in unserer glorreichen k.u.k. Armee?“
„Oberleutnant!“ Gustav fragte sich, woher Polanski wusste, dass er beim Militär gewesen war.
„Verzeihung. Ich dachte, Sie hätten einen höheren Rang gehabt.“
„Sie hatten früher mit dem Freiherrn von Schwabenau geschäftlich zu tun.“ Gustav bemühte sich, in diesem merkwürdigen Schlagabtausch die Oberhand zu behalten.
„Ja, ich habe die Ehre, mit diesen Herrschaften bekannt zu sein. Sie haben es aber bisher nicht der Mühe wert gefunden, mich in ihre familiären Probleme einzuweihen. Außerdem habe ich momentan andere Sorgen. Einer meiner besten Mitarbeiter ist ermordet worden. Ich nehme an, Sie haben davon gehört.“
Gustav nickte mit zusammengepressten Lippen.
„Haben Sie das Halstuch gesehen, mit dem Napoleon erwürgt worden ist? Das Tüchlein war Freddy Mars’ Glücksbringer. Er hat es bei jedem Rennen getragen. Die noblen Herren haben mehrmals heftig protestiert, weil er damit ihre Kleidungsvorschriften bei den Rennen ignoriert hat. Aber Freddy hat sich nicht davon abbringen lassen, dieses feminine Seidentüchlein zu tragen. Und er hat ja tatsächlich viele Rennen damit gewonnen.“
„Wollen Sie damit andeuten, dass Freddy Mars den Zwerg ermordet hat?“
„Das habe ich nicht behauptet. Aber bevor Sie alle möglichen unschuldigen Leute belästigen, sollten Sie mal mit Freddy reden. Vorsicht ist angebracht! Er ist berüchtigt für seinen Jähzorn und ein schlechter Verlierer obendrein. Er hat mich sogar mal in die Hirschau bestellt. Zum Glück hat keiner von uns beiden eine Pistole dabeigehabt. Dieser Gnom ist wie ein wilder Stier auf mich losgegangen, hatte aber keine Chance.“
Gustav wusste, dass nach wie vor Duelle in der Hirschau, im hintersten Winkel des Praters, stattfanden. Wenn in Wien die Rede von Entführungen, Duellen und pikanten Liebeleien war,
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