Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad
konzentrierte sich auf die Pferde, die Flanke an Flanke angesprengt kamen. Gereckte Hälse, lange sehnige Muskeln unter glänzenden Fellen …, fast konnte er ihren lauten Atem hören. Sie holten die Luft tief aus ihren großen Lungen.
Die Jockeys forcierten das Tempo. Gestreckter Galopp, fast geschlossen schossen die Pferde an den Tribünen vorbei. Ein Gescheckter war eine Kopflänge vor den anderen. Knapp dahinter ein schöner Rotfuchs. Die beiden lösten sich von dem in vollem Galopp dahinjagenden Feld.
Plötzlich holte Phantom II. auf, schoss an dem an dritter Stelle liegenden Pferd vorbei und war nun Kopf an Kopf mit dem Rotfuchs „Sunshine“, der an zweiter Stelle lag.
Das Publikum begann laut zu brüllen, feuerte Freddy und seinen schwarzen Hengst an. Freddy Mars schien nach wie vor der Liebling der Wiener zu sein.
Auf den letzten hundert Metern beschleunigte Phantom II. noch einmal, machte Zentimeter um Zentimeter an Boden gut. Wie ein Verrückter spornte Freddy sein Pferd an und holte tatsächlich die wenigen Zentimeter zum führenden „Deus ex machina“ mit dem jungen italienischen Jockey Alberto Giocelli auf.
Die Leute tobten. Ein Kopf-an-Kopf–Rennen. Fast gleichzeitig schoben die beiden Pferde ihre Nüstern über die Ziellinie.
Gustav bedeckte seine Augen mit den Händen. Er sah wie ein Adler, für ihn war es eindeutig, dass „Deus ex machina“ die Nase beziehungsweise seine Nüstern vorneweg gehabt hatte.
Die Jockeys richteten sich wieder auf. Die Pferde liefen aus und fielen am Ende der Rennbahn in Schritt.
„Verdammter Mist“, fluchte Gustav.
Balduin umarmte ihn vor lauter Freude, denn er hatte auf den neuen Superstar „Deus ex machina“ gesetzt.
Zwanzig Kronen in den Wind geschossen. Gustav war stinksauer auf sich selbst.
Als er den geschlagenen Freddy in den Stallungen besuchte, machte er ihm keine Vorwürfe.
Der Stallbursche rieb gerade Phantom II. trocken. Gustav streichelte das schöne Tier, das am ganzen Leib zitterte.
Normalerweise wurde der Jockey nach einem Rennen von begeisterten Anhängern belagert, heute liefen sie alle zu dem feschen Alberto. Untreue Mischpoche, dachte Gustav.
Freddy nahm Gustavs Einladung, nach der Siegerehrung im „Walfisch“ gemeinsam einen trinken zu gehen, dankbar an.
„Du musst mich freihalten. Hab alles, was ich bei mir hatte, auf dich gesetzt.“ Ein leiser Vorwurf schwang nun doch in seiner Stimme mit.
„Tut mir leid, mein Bester. Natürlich geb ich dir einen aus, obwohl ich selber bankrott bin. Ich hätt heut unbedingt gewinnen müssen. Mir steht das Wasser bis zum Hals.“ Freddy klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
„Der Walfisch“ hatte geschlossen, da gerade der Haupteingang der neuen Grottenbahn geliefert wurde. Fasziniert sahen Gustav, Freddy und viele andere Neugierige dabei zu, wie die Arbeiter das monströse Unterkiefer und die gewaltige Rippe eines 1895 im Beringmeer erlegten Pottwals von einem Wagen hievten. Die Pferde waren unruhig, wieherten und tänzelten herum wie die nervösen Reitpferde vorhin. Bestimmt konnten sie das Ungetüm noch riechen.
Kaum hatten sie im Gastgarten des „Englischen Reiters“ Platz genommen und zwei Bier bestellt, verdüsterte sich Freddys Miene. Das gerade verlorene Rennen schien ihm schwer im Magen zu liegen.
„Die Siegesprämie wäre meine Rettung gewesen“, murmelte er. „Eigentlich dürft ich gar nicht hier mit dir sitzen. Ich sollt mich lieber verstecken. Glaub nicht, dass mir die Geldeintreiber noch eine Gnadenfrist gewähren werden. In letzter Zeit hab ich nur Pech gehabt. Pech im Spiel, Pech bei den Rennen und Pech in der Liebe. Ich liebe Margarete, und ich weiß, dass sie mich auch liebt. Aber dieses Arschloch von Vater ist ihr eben wichtiger als ich. Der Alte hat ihr jeden Kontakt mit mir verboten. Wir haben uns ein paar Mal heimlich gesehen. Diese Treffen waren eine einzige Katastrophe. Sie war hysterisch und voller Angst. Ach Gustav, diese Frau ist mein Verhängnis. Und jetzt ist sie auch noch Schuld daran, dass ich kein Rennen mehr ge-winne …“
Gustav missfielen die intimen Bekenntnisse des Jockeys, doch er unterbrach ihn nicht.
Freddy stürzte sein zweites Krügerl in drei Zügen hinunter.
„Ich will keine andere. Ich wünsch mir nichts mehr als mit meiner Frau und meinem Kind endlich zusammen sein zu können, so wie eine ganz normale Familie halt. Meine kleine Leonie wünscht sich das ebenfalls. Aber wie soll ich die beiden ohne Marie erhalten,
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