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Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Titel: Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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eine Lügengeschichte aufgetischt hatte. Die Kunstreiterin hatte ihnen kein einziges Mal in die Augen gesehen, während sie gesprochen hatte. Außerdem war sie immer wieder heftig errötet.
    Er stellte ihr noch mehr Fragen über Leonie. Sie beteuerte, ihnen alles gesagt zu haben, was sie wusste. Verärgert ließ er Angelina und Freddy allein. Vielleicht würde sie Freddy mehr erzählen, wenn sie allein mit ihm war. Oder die gemeinsame Sorge um Leonie wird die beiden einander näher bringen, dachte er, nicht ohne Hintergedanken.
    „Du muss…t schon gehen?“ Freddy wirkte enttäuscht.
    „Ja, wir sehen uns …“
    Gustav eilte zur nächsten Tramwayhaltestelle und stellte sich in der langen Schlange beim Schalter an. Die paar Heller in seinem Hosensack würden gerade für eine Fahrkarte reichen.
    Die Pferdetramway war überfüllt. Schweißgeruch und der Gestank von billigem Parfüm beleidigten seine Nase. Er drängte sich durch die Massen hinaus auf die Plattform.
    Beim Burgtor stieg er aus und ging geradewegs nach Hause, da er hoffte, dass sich Rudi inzwischen gemeldet hatte. Seit dem Tag, an dem Napoleon ermordet worden war, hatte er seinen Freund nicht mehr gesehen. Er musste dringend mit ihm reden. Wenn nur die Hälfte von dem, was Angelina ihnen erzählt hatte, der Wahrheit entsprach, dann steckten Napoleon und Leonie unter einer Decke und hatten die Entführung vorgetäuscht. Aber warum war Leonie nach Napoleons Tod nicht wieder aufge-taucht?“
    15
    Vera schrieb, als Gustav am frühen Abend heimkam und in ihr Zimmer schaute.
    „Hat sich Rudi gerührt?“
    „Nein.“ Sie tippte weiter.
    Gustav hatte das Gefühl zu stören. Obwohl es ihm auf der Zunge lag, seiner Tante von seinem Durchbruch im Fall Leonie von Leiden zu erzählen, beherrschte er sich und ließ sie in Ruhe. Vielleicht würde sich später am Abend eine Gelegenheit ergeben, mit ihr über die neuen Entwicklungen zu reden.
    Er hatte keine Lust, sich weiter allein mit diesem Fall zu beschäftigen. Auch Sherlock Holmes hatte seinen Freund Dr. Watson gebraucht, um seine komplizierten Gedankengänge zu ordnen und zu seinen brillanten Schlussfolgerungen gelangen zu können.
    Enttäuscht, dass Rudi noch immer nichts von sich hören hatte lassen, fragte er sich, was er mit dem angebrochenen Abend anfangen sollte. Gelangweilt musterte er alte Zeitungen aus. Gustav hatte die Angewohnheit, Zeitungsartikel, die ihm interessant erschienen, aufzuheben, in der Hoffnung, sie irgendwann einmal zu lesen. Sein Blick blieb an einem Beitrag von Karl Kraus im Illustrierten Wiener Extrablatt vom Jänner dieses Jahres hängen. Das Café Griensteidl war damals geschlossen worden. Gustav amüsierte sich über die spitzen Bemerkungen des scharfen Kritikers: „Das Café Größenwahn hat seine Tore geschlossen … , die Kaffeehausdekadenzmoderne hat keine Heimat mehr …“ Gustav schätzte Karl Kraus über alles und teilte seine Meinung über den ehemaligen Literaten- und Politikertreff beim Michaelertor, Ecke Kohl-markt.
    Als er bei den aktuellen Tageszeitungen angelangt war, las er nur mehr den Programmteil. Er hatte beschlossen, heute noch auszugehen. Nach diesem aufregenden Tag war ihm danach, sich berieseln zu lassen. In den Musiktheatern fanden die letzten Vorstellungen vor der Sommerpause statt. Im Theater an der Wien spielten sie den „Zigeunerbaron“ von Johann Strauss Sohn. Im k.k. Hof-Operntheater am Ring stand „Lohengrin“ von Richard Wagner auf dem Programm. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Da seine Mutter Operettensängerin gewesen war und zu Hause stundenlang ihre Partien einstudiert hatte, kannte er zumindest alle Strauss-Operetten in- und auswendig. Außerdem fühlte er sich momentan selbst ein bisschen wie der Sohn des Gralshüters Parzival, der auf einem Schwan der Herzogin Elsa von Brabant als Helfer und Beschützer gesandt wurde – seine Angebetete war halt keine Herzogin, sondern nur eine Baronin.
    Die meisten Wiener besuchten die Oper nicht der Musik wegen, sondern um gesehen zu werden. Doch Gustav liebte die Oper. Während seiner Gymnasialzeit hatte er sich mindestens dreimal wöchentlich Aufführungen angesehen. Nicht einmal seine Tante hatte von dieser Passion gewusst. Wahrscheinlich hätte sie kein Verständnis dafür gehabt. Ihr waren die meisten Opern zu üppig, zu theatralisch und melodramatisch, sie bevorzugte Kammermusik und schwärmte von Gustav Mahler.
    Gustav fand sogar das neue Gebäude am Ring, das von vielen abfällig als

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