Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
»Wie spät ist es jetzt?«
Annemieke warf einen Blick auf ihre bestimmt nicht sehr billige Armbanduhr. »Achtzehn Uhr und … genau vierzehn Minuten, wieso?«
Piet lehnte sich zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. »Feierabend!« Die Kellnerin kam gerade an ihrem Tisch vorbei. »Nel? Zwei Vino Nobile di Montepulciano!«
»Aber nur den einen!« Annemieke hielt ihm den Schlüssel vom Peugeot entgegen.
»Weißt du, was ich nicht verstehe?«, fragte Piet.
»Du verstehst nicht, warum ein Arzt aus Duisburg Campingurlaub in Holland macht.«
»Richtig, woher weißt du das?«
Annemieke schmunzelte: »Ich bezahle den Rotwein, aber du kannst das natürlich wegen Befangenheit ablehnen!«
16
Sonntags sind die Geschäfte in Noordkapelle geschlossen. Gut, Johnnys Supermarkt auf dem Campingplatz hat natürlich nachmittags geöffnet, aber wir waren nicht bereit, uns unsere Ausrede nehmen zu lassen. Die Geschäfte sind also sonntags geschlossen, und wir mussten essen gehen.
Nach sehr kurzer Diskussion einigte sich der Familienrat aufs Piccolo Mondo . Uns hätte auch noch der Pannekoekenbakker , der Grieche, der Chinese, das Babbelaar , und das Hotel Zeelandia zur Wahl gestanden, aber die Kinder favorisierten Pizza. Ich gratulierte mir zu meiner Erziehung.
Wir gingen zum Tresen und fragten, ob wir auch ohne Reservierung einen Tisch bekommen könnten. »Nein, aber in einer Dreiviertelstunde müsste ein Tisch frei werden.«
Wir gingen die Straße hinunter. Eine Dreiviertelstunde, die konnte man selbst an einem Sonntag auf Noordkapelles »Kö« totschlagen. Es hatte sich allerhand verändert in den letzten Jahren. Der Grieche hatte seine Fassade in einem nicht gerade tourismuskompatiblen Grau gestrichen. Zwei neue Geschäfte waren eröffnet worden. Das eine hieß Seaside . Na, das war ja mal originell. Bei Seaside bot man blau-weiße Leuchttürme und Muschelkerzen an, dazu Holzschilder, auf denen Gone to the beach aufgemalt war.
An einem Haus stand te koop , was so viel bedeutet wie » zu verkaufen«. Über ein solches Angebot konnte man nachdenken, aber in den Niederlanden darf man als Deutscher nicht einfach ein Haus mitten in der Ortschaft kaufen. Wahrscheinlich ist das auch richtig so. Der reiche Teutone kauft das Haus und bewohnt es an zehn Wochen in den Ferien, ansonsten trägt er dazu bei, dass das Dorf in den kalten Wintermonaten verwaist daniederliegt.
Herr Christo musste hier kürzlich auch Urlaub gemacht haben, denn der Kirchturm in der Ortsmitte war verpackt, von Gerüsten umgeben, und die Gerüste waren von grauer Folie eingehüllt. Eine Backsteinmauer umfriedete das Grundstück, auf dem die Kirche stand. Sie ist das Schmuckstück von Noordkapelle, wenn sie nicht gerade verpackt ist. Auf der Mauer saßen Jugendliche und Fahrradfahrer, die anscheinend wussten, dass die Frittenabteilung des Babbelaar die besten Pommes frites der nördlichen Halbkugel offeriert. Das war jetzt schon unser zweiter Tag in Noordkapelle, und ich hatte noch keine einzige Portion dieser frittierten Köstlichkeit genossen. Gut, das war auch beabsichtigt. Der Tag, an dem ich das Rauchen aufgegeben habe, liegt jetzt neun Kilo zurück, da muss ich mich in den Ferien ein bisschen zurückhalten. Andererseits darf ich es auch nicht übertreiben. Ich würde gleich im Piccolo Mondo eine große Pizza essen, um zu vermeiden, dass ich einen Heiligenschein kriege.
Es war inzwischen fast sieben Uhr, und wir kehrten um in Richtung Piccolo Mondo . Mittlerweile hatten viele Gäste das Ristorante verlassen, es war kein Problem mehr, einen Tisch zu ergattern.
Neben dem Tresen stand der runde Tisch, an dem ich schon mal morgens nach dem Einkaufen einen Espresso getrunken hatte. Jetzt saß dort der Kommissar mit seiner Assistentin. Es würde wohl keinen Tag mehr geben, an dem wir den beiden nicht begegneten.
Wir bekamen sogar einen Tisch direkt am Fenster. Es wurden noch schnell ein paar Glasränder weggewischt, zwei Spaghetti entsorgt, die sich keck um den Salzstreuer wanden, und schon konnten wir Platz nehmen. Vier Speisekarten wurden gereicht. Die nette junge Bedienung hieß Nel, das wusste ich noch vom letzten Jahr. Sie trug eine schwarze Schürze, auf der in Rot der Schriftzug Piccolo Mondo prangte. Die Schürze harmonierte wunderbar mit ihrer Frisur: Rotes Deckhaar lag wie eine Mütze über einer pechschwarzen Frisur. Sie fragte, ob sie uns schon etwas zu trinken bringen
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