Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
wieder, warum er das Treffen gerade hierher verlegt hatte. Nicht nur Ruuds Frisur hatte die Zeit unbeschadet überstanden, auch die Musik hatte jegliche Anfeindung von Rap und Hiphop überlebt.
Arie betrat die Kneipe. Er war fast unsichtbar. Eigentlich betrat nur ein dunkelgrauer Anzug den Raum. Der Kopf war vor der kalkweißen Wand nur als Schatten zu erkennen. » Goedenavond, Piet! Schön, dass du noch vorbeikommen konntest. Ich habe was Spannendes herausgefunden.«
Piet wies auf den leeren Barhocker.
»Du weißt doch, dass Coen an einem Seil aufgehängt wurde«, begann Arie verheißungsvoll.
»Ja klar, das Seil war um sein rechtes Bein geschlungen.«
»Das Seil wurde mit einem sogenannten Palstek um sein Bein geknotet. Und das Seil war eine Festmacherleine. Kennst du dieses Seglergeschäft am Kinderdijk, Watersportwinkel Hansen ?«
»Ja klar.«
»Ich war heute Morgen da, die haben genau das Seil im Angebot.«
»Das Seil ist reine Industrieware«, sagte Piet, »das hat jede Zeilmakerij und jeder Bootsshop im Angebot.«
»Aber der Mörder hat das Seil nicht gekauft, um damit Coen von der Decke baumeln zu lassen.«
Piet sah ihn prüfend an. »Machst du jetzt meine Arbeit? Hast du nicht genug damit zu tun, Leichen auseinanderzunehmen?«
Der Gerichtsmediziner grinste. »Doch, ich habe genug zu tun, vor allem, weil ich gründlich arbeite.« Er wurde wieder ernst. »Über dem rechten Knöchel, wo sich die Schlinge zugezogen hat, war an Coens Bein eine Druckstelle, die habe ich untersucht. Es war zwar keine Wunde, aber ich habe eine Hautprobe entnommen, und dabei habe ich Spuren von Salz gefunden. Daraufhin haben wir das Seil noch mal genauer in Augenschein genommen: Es weist einen signifikanten Salzgehalt auf. Dieses Seil ist lange in Kontakt mit Salzwasser gewesen.«
Jetzt schaute Piet doch etwas überrascht. Ein Seglerknoten und Salzwasserspuren am Seil … »Unser Mann war also ein Segler.«
»Es sieht so aus.«
»Und deswegen bin ich extra so spät in die Kneipe gekommen?«
»Reicht das denn nicht? Das ist doch ein wichtiges Indiz. Was willst du denn noch?«
»Mindestens zwei Bier. Tooske …?!«
Tooske war eine dunkelhaarige Frau, deren Vater einst aus Surinam gekommen war. Die verschiedenen Erbanlagen waren in ihrem Gesicht ausgesprochen vorteilhaft kombiniert. Zwischen ihrer Jeans und dem schwarzen T-Shirt war auf der linken Seite ihres Rückens das Fragment einer Tätowierung zu sehen, ein Tattoo in Schwarz, Rot, Weiß und Blau. Vielleicht war es ein Teil eines Fisches oder eines Drachen. Man konnte das Gesamtmotiv nur erahnen, ein spannendes Rätsel, an dem sich viele Stammgäste beteiligten. Tooske war einer der Gründe, warum Piet gerne bei Ruud sein Bierchen trank.
Sie stellte zwei frische Biere vor die beiden auf den Tresen. Piet nahm einen tiefen Schluck, Arie nippte nur.
»War eigentlich Alkohol im Spiel? Hatte Coen etwas getrunken?«
»Sag mal, liest du meine Berichte eigentlich gar nicht?« Der Pathologe klang beleidigt.
»Doch schon, aber der Bericht liegt bei Annemieke. Also sag schon!«
»Er hatte Alkohol getrunken, aber nicht viel. Es waren knapp null Komma drei Promille, also vielleicht zwei Bier.«
Piet korrigierte die Zahl in Gedanken auf vier und fragte sich, ob Arie schon nach einem Bier den gleichen Wert erreichen würde.
Die Frage ließ sich in dieser Nacht nicht mehr abschließend beantworten, denn Arie verabschiedete sich, als er sein Bier noch nicht einmal halb ausgetrunken hatte. »Ich muss los, ich brauche meinen Schlaf. Morgen um sieben bin ich wieder in der Pathologie.«
»Und wenn du nicht pünktlich bist, läuft dir die Kundschaft weg!«
Piet widmete sich wieder seinem Bier, dann drehte er sich noch einmal zu dem dunkelgrauen Anzug um, der schon an der Tür war: »Danke, Arie! Das war ja fast ein Opfer für dich. Freiwillig gehst du nicht in so eine Kneipe, oder?«
»Eher nicht.« Arie verließ das Lokal.
In diesem Augenblick spielten Golden Earring Radar Love .
» No more speed, I’m almost there
Gotta keep cool now, gotta take care
Last car to pass, here I go
And the line of cars drove down real slow.«
Ruud nahm das halb leere Glas vom Tresen und stellte Piet ein neues hin. »Ein komischer Typ, oder?«
»Seine Lieblingsbeschäftigung sind Leichen«, erwiderte Piet. »Was willst du da erwarten?«
Dienstag
26
Der Schrei zerriss keine Stille. Es ist nie still auf einem
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