Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
fragt, wo der Stellplatz ist. Wir müssen es dem Mann und der Tochter sagen.«
»Ja, das müssen wir wohl …«
»Andrea!« Plötzlich stürzte ein großer, hagerer Mann mit blonden halblangen Haaren ans Ufer. »So nehmt sie doch da runter!«
Annemieke ging auf ihn zu. »Ja, das werden wir auch sofort tun. Kommen Sie. Ich bringe Sie hier weg.«
»Nein, ich will hier nicht hier weg! Wo ist ein Arzt? Warum ist denn noch kein Arzt hier?«
Ein Mann, den Piet schon einmal während der Befragung getroffen hatte, legte die Hände auf die zitternden Schultern des schluchzenden Mannes und sagte: »Ich bin Arzt, aber ich konnte ihr leider nicht mehr helfen. Kommen Sie.«
Ein Polizist wandte sich an die gaffende Menge. »Gehen Sie jetzt nach Hause. Räumen Sie diesen Ort. Sie behindern die Polizei. Na los, wird’s bald?«
Wim trat eilig zu Piet. »Hier, ich habe den Namen und die Adresse der Toten. Sie sind erst seit vier Tagen hier. Verdammt, was hat dieses Schwein bloß vor?!«
»Das wüsste ich auch gerne«, sagte Piet. »Jetzt wird alles genauso ablaufen wie vor drei Tagen. Arie wird kommen. Wir werden die Camper befragen, wir werden dich befragen und Isabelle. Und alle, alle, alle werden uns sagen, dass sie auch nicht den Hauch einer Erklärung dafür haben.«
Männer in den weißen Overalls der Spurensicherung bevölkerten den Tatort. Die Fotografin vom politiebureau bannte mit ihrer Nikon jeden Quadratzentimeter auf die Speicherkarte. Wieso kann ein Kopf so schmerzen, wenn er doch leer ist?, fragte sich Piet. In seinem Schädel war kein einziger brauchbarer Gedanke, keine Idee. Nur diese elende Hilflosigkeit.
»Vielleicht hat der Täter diesmal einen Fehler gemacht.« Annemieke sah nachdenklich zu der Leiche hinüber, die nun auf der Wiese lag und gerade mit einem Tuch vor all den Blicken geschützt wurde. »Bei Coen hat er nicht eine einzige Spur hinterlassen. Aber irgendwas müssen wir doch finden.«
»Ja, wir müssen was finden«, stimmte Piet zu, »aber wir wissen nicht, was wir suchen sollen. Ich gehe jetzt.«
»Das kannst du nicht tun!«, sagte Annemieke empört.
»Doch!«
Wim und Annemieke starrten Piet hinterher, wie er durch die Hecke verschwand. Wenige Sekunden später hörten sie den Motor des Defender aufheulen. Die quietschenden Reifen hätte man dem alten Vehikel gar nicht zugetraut.
Wim fuhr sich über das unrasierte Kinn. »Verdammte Scheiße, wir haben hier fünf Kilometer Höchstgeschwindigkeit. Das gilt auch für ihn!«
Annemieke wandte sich zu ihm und blickte ihn über eine nicht vorhandene Lesebrille an. Ein Lächeln gelang ihr nicht. »Laufen Sie hinterher und sagen Sie’s ihm!«
28
Natürlich hatte nun ein Morgenregen eingesetzt. Der Wind trieb die Bindfäden diagonal vor sich her. Brigadier Annemieke Breukink lenkte den weißen Dienst-Peugeot auf den Parkplatz am Deichpavillon De Westkaap . Da, wo der Schelpweg zwischen Domburg und Westkapelle die Deichkrone erklimmt, da duckte sich das Deichrestaurant in den Wind. An diesem Küstenabschnitt gab es keinen Sand. Dieser Teil des Deichs war asphaltiert, sodass man mit dem Auto bis an De Westkaap fahren konnte. Zum Meer hin hatte man heißen Teer über die Steine gegossen, um den Deich zu befestigen. Man konnte zwischen den Steinen noch erahnen, wie die dickflüssige schwarze Masse abgekühlt war, wie sie mitten in der Bewegung träge erstarrte.
Annemieke parkte den Peugeot fünfzig Meter neben Piets Defender. Sie trug eine rot-weiß gestreifte Ralph-Lauren-Bluse, Jeans und flache rote Collegeschuhe. Jetzt war sie froh, dass ihre rote Kapuzenjacke noch im Wagen hing. Bei dem Mistwetter wäre sie sonst in kürzester Zeit total durchnässt gewesen. Sie stieg auf die Deichkrone, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. An diesem unwirtlichen Stück Küstenstreifen hatte sich so früh am Morgen nur eine Handvoll Angler eingefunden, die dank ihrer profunden Kenntnis der Psychologie von Seebarschen und Schollen den Schluss gezogen hatten, dass sich diese heute um neun Uhr bei Regen am leichtesten fangen ließen.
Sie war sich ziemlich sicher, dass der Mann, der etwa hundertfünfzig Meter entfernt in einer schwarzen Wachsjacke am Wasser stand, ihr unausgeschlafener, griesgrämiger Chef war. Er stand da, still und stumm, wie der kleine rote Leuchtturm mit der weißen Bauchbinde.
Annemieke ging einige Schritte auf ihn zu. Ja, sie hatte recht. Piet stand da, die Hände in den Jackentaschen, unbeweglich,
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