Der Tod hat einen Namen
Lindsay. Wochenlang ist immer wieder die Polizei im Haus gewesen, das Unterste wurde zuoberst gekehrt, jeder von uns unzählige Male verhört." Sie blickte aus dem Fenster. "Die Polizei vermutet, daß Miß Dinah ertrunken ist und ich glaube, so wird es auch gewesen sein. Aus irgendeinem Grund muß sie in der Nacht noch zum Strand hinuntergegangen sein."
"Im Ballkleid?"
Die Augen der Haushälterin wurden zu schmalen Schlitzen. "Wenn Miß Dinah nicht ertrunken ist, was ist dann geschehen?Ein Mord?" Sie schüttelte den Kopf. "Das ist so absurd, daß Sie es nicht einmal in Erwägung ziehen sollten."
Pamela brauchte keine halbe Stunde, um sich umziehen und etwas Make-up aufzulegen. Rasch tupfte sie sich noch ein paar Tropfen Parfüm hinter die Ohren, dann verließ sie ihr Zimmer, um zum Ballsaal zu gehen. Aber sie kam nicht weit. Merry holte sie ein, als sie gerade den unbewohnten Flügel betreten wollte.
"Mister Callison bittet Sie zu sich, Miß Lindsay", sagte das Hausmädchen. "Er ist in seinem Arbeitszimmer. Soll ich Sie führen?"
Pamela nickte. Wo das Arbeitszimmer des Hausherrn lag, wußte sie noch nicht. Ihr war mehr als beklommen zumute, als sie jetzt Merry in die Halle hinunter folgte. Daß Victors Vater gegen ihren Aufenthalt in Windhaven war, wußte sie schließlich.
Charles Callison stand hinter seinem wuchtigen Schreibtisch auf, als Pamela das Arbeitszimmer betrat. "Sie können gehen, Merry", wies er das Hausmädchen an. "Bitte, setzen Sie sich, Miß Lindsay." Er wies zu Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand.
"Ich würde Sie gerne auf Windhaven willkommen heißen", meinte er, nachdem Merry die Tür hinter sich geschlossen hatte, "nur sind die Umstände, die Sie heute in mein Haus geführt haben, nicht d anach."
Die junge Frau hatte nicht damit gerechnet, daß Charles Callison so offen mit ihr sprechen würde. Sie hatte eisige Höflic hkeit erwartet, beredendes Schweigen. Seine Worte machten es ihr etwas leichter. "Sie halten mich für eine Schwindlerin, Mister Callison, nicht wahr?"
Der Hausherr setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Forschend sah er sie an. "Nein, das nicht, Miß Lindsay", erwiderte er nach einigen Sekunden. "Vermutlich sind Sie wirklich davon überzeugt, Dinahs Sinfonie in jener Nacht gehört zu haben." Er faltete die Hände auf der Schreibtischplatte. "Sehen Sie, ich bin ein Mensch, der mit beiden Beinen fest im Leben steht. Ich bin überzeugt, daß alles, was mit Okkultismus und Spiritismus z usammenhängt, ausgemachter Unsinn ist. Deshalb kann ich auch nicht an Ihre angebliche mediale Begabung glauben. Vermutlich haben Sie von meiner Stieftochter geträumt. Immerhin hatte Ihnen Victor von Dinahs Verschwinden erzählt. Als Künstlerin müssen Sie über sehr viel Feingefühl verfügen. Im Schlaf wird sich Ihr Unterbewußtsein mit Dinah beschäftigt haben. Daß das Mädchen in Ihrem Traum lange, braune Haare hatte, ist reiner Zufall."
"Und wie erklären Sie sich, daß ich ein Stück spielen konnte, daß außerhalb ihrer Familie niemand kennt?"
"Ich habe lange darüber nachgedacht, Miß Lindsay, aber auch dafür habe ich eine Erklärung gefunden. Woher sollen wir so genau wissen, daß Dinah nur mit uns über ihre Sinfonie gesprochen hat? Schließlich hat sie viele Freunde gehabt. Es ist eine wunderschöne Melodie. Sie könnten sie irgendwo gehört haben und wurden dann während der Vernissage dazu inspiriert, sie zu spielen."
"Meinen Sie nicht, daß Ihre Erklärung jeglicher Logik entbehrt, Mister Callison?" fragte die Pianistin. "Es tut mir leid, aber ich habe weder in jener Nacht geträumt, noch Dinahs Sinfonie auße rhalb dieses Hauses gehört."
Charles Callison stand auf. Er trat zum Kamin, rückte eine Chelsea-Katzen zurecht, die dort standen, und wandte sich dann wieder Pamela zu. "Sie sind mir sehr sympathisch, Miß Lindsay", sagte er. "Ich bewundere Sie als Pianistin, und es hatte mich g efreut, Sie kennenzulernen, aber das alles hat nichts damit zu tun, daß ich Sie bitten möchte, wieder abzureisen. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, wie gefährlich die Aufgabe sein könnte, die Ihnen meine Frau gestellt hat?"
"Weshalb sollte sie gefährlich sein?" Die junge Frau runzelte die Stirn. "Meinen Sie, jemand könnte mir nach dem Leben trac hten?"
"Nein, so habe ich es nicht gemeint, Miß Lindsay", erwiderte Charles Callison, "sondern ich dachte eher an meine Frau. Kathl een klammert sich jetzt daran, daß Sie Dinahs Verschwinden aufklären können. Sie ist
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