Der Tod hat einen Namen
fest davon überzeugt, daß sich unsere Tochter mit Ihnen in Verbindung setzen wird." Er schüttelte den Kopf. "WennDinah tatsächlich tot ist, wird nichts auf der Welt, sie uns auch nur für wenige Augenblicke zurückbringen. An Geistererscheinungen glaube ich nicht. Es mag zwar vieles zwischen Himmel und Erde geben, was wir uns nicht erklären können, doch bis jetzt ist noch jeder angebliche Spuk als Schwindel entlarvt worden."
"Da muß ich Ihnen leider widersprechen, Mister Callison", sagte Pamela. "Gerade bei uns in England gibt es Häuser, in denen es seit Jahren spukt und die selbst von Wissenschaftlern untersucht worden sind, ohne, daß man den Besitzern einen Schwindel nac hweisen konnte." Sie blickte zu dem Gemälde, das über dem Kamin hing. Es zeigte einen jungen Mann von etwa zwanzig. Er trug eine Fliegeruniform. Auf seinen Knien saß ein kleiner, blonder Junge.
Charles Callison folgte ihrem Blick. "Mein Bruder William und ich", erklärte er. "Meine Mutter hat dieses Bild seinerzeit als Geburtstagsgeschenk für meinen Vater malen lassen."
"Ihr Sohn hat mir von seinem Onkel erzählt."
"William hatte es schon immer verstanden, sich bei allen b eliebt zu machen", bemerkte der Hausherr und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. "Allerdings haben wir jetzt schon seit Jahren nichts mehr von ihm gehört. Nun, das muß nichts bedeuten. Mein Bruder ist es gewohnt, ein abenteuerliches, ungebundenes Leben zu führen. Er..."
Mr. Callison nahm Platz. "Es ist nicht William, der mir im Moment Sorgen macht", meinte er. "Bitte, Miß Lindsay, vers uchen Sie mich zu verstehen. Sicher wollten Sie nicht noch mehr Leid über meine Familie bringen. Tote soll man ruhen lassen. Es sind die Lebenden, die geschützt werden müssen."
"Und Ihre Frau, Mister Callison?" fragte Pamela. "Schauen S ieIhre Frau an. Sie verzehrt sich vor Kummer um Dinah. Auch wenn inzwischen zehn Jahre vergangen sind, Ihre Frau wird erst wieder ihren inneren Frieden finden, wenn sie weiß, was mit Dinah geschehen ist."
"Mit anderen Worten, Sie bleiben auf Windhaven, Miß Lin dsay", meinte Charles Callison eisig. "Nun, ich habe Sie gewarnt. Machen Sie mir bitte später keine Vorwürfe." Er griff nach dem Telefon.
Pamela stand auf. Am liebsten wäre sie sofort abgereist, aber sie hatte Kathleen Callison ihr Wort gegeben, zudem freute sie sich auf das Zusammensein mit Victor. Doch das war es nicht alleine. Sie spürte, daß Charles Callison mehr über Dinahs Ve rschwinden wußte, als er zugeben wollte. Wen schützte er? Oder sollte doch er selbst...
Tief in Gedanken stieg die junge Frau die Treppe hinauf. Sie hatte heftige Kopfschmerzen, wie so oft in letzter Zeit. Unablässig glaubte sie Dinahs Sinfonie zu hören. Die Musik schwoll zu einem gewaltigen Orkan an. Stöhnend preßte sie eine Hand auf ihre Stirn.
11.
Leise verließ Pamela das Schlafzimmer von Mrs. Callison. Sie befand sich seit einer Woche in Windhaven. Vergeblich hatte sie Nacht für Nacht darauf gehofft, daß sich Dinah ihr wieder zeigen würde. Nur die Sinfonie des jungen Mädchens schien allnächtlich durch ihr Zimmer zu wehen. Es bedrückte die junge Frau, daß bisher noch nichts weiter geschehen war. Auch wenn Kathleen Callison kein Wort darüber verlor, sie fühlte die Enttäuschung ihrer Gastgeberin. An diesem Tag hatte sich Kathleen gleich nach dem Lunch zurückgezogen. Sie hatte über eine heftige Migräne geklagt und sich hingelegt.
So kann es nicht weitergehen, dachte Pamela, als sie das Haus verließ und zu dem kleinen Pavillon ging, der unweit der Klippen stand. Sie hielt sich gerne dort auf. Von Victor wußte sie, daß dieser Pavillon auch Dinahs Zuflucht gewesen war.
Leise summte sie die Sinfonie. Pamela wußte inzwischen, daß ihre Kopfschmerzen mit Dinahs Komposition zusammenhingen, dennoch kam sie nicht von ihr los. Selten zuvor hatte ein Musikstück sie so in seinen Bann gezogen. Sie setzte sich auf die Bank und lauschte auf die Brandung.
Von einem Augenblick zum anderen verdunkelte sich der Himmel. Zwischen den schwarzen Wolken leuchtete etwas auf. Es wirkte wie eine Nachttischlampe. Pamela glaubte Stimmen zu hören, konnte jedoch nicht verstehen, was sie sagten. Und dann sah sie verschwommen Dinah. Das Mädchen trug ein wunde rschönes Ballkleid. In seinen dunklen Haaren steckten weiße Blüten. Dinah lachte mit blitzenden Augen, doch von einer Sekunde zur anderen verzerrte sich ihr Gesicht. Aus dem Dunkel heraus griffen Hände nach ihr, packten sie. Entsetzt
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