Mr. Dalziel, ich möchte, dass Sie eine Art Audio-Tagebuch führen. Zeichnen Sie Ihre Gefühle auf, Ihre Erlebnisse, alles, was Ihnen so durch den Kopf geht.«
»Sie meinen, ich soll anfangen, mit mir selbst zu quasseln?«, sage ich. »So wie ein Geisteskranker?«
»Nein, nein«, sagt er. »Nicht mit Ihnen selbst. Reden Sie einfach, als würden Sie mit jemandem sprechen, der absolut nichts über Sie weiß.«
»Wie Sie zum Beispiel?«, sage ich.
Sein Mund verzieht sich zu einem so breiten Grinsen, dass ich darauf hätte »Chopsticks« klimpern können. »Ich weiß allerdings ein bisschen was über Sie. Und es würde mir nicht gefallen, wenn Sie meinen, Sie müssten explizit mich ansprechen. Tatsächlich, lassen Sie sich das gesagt sein, Mr. Dalziel, werde ich mir ohne Ihre Einwilligung nichts davon anhören.«
»Wenn Sie es also nicht hören, was soll das dann?«, frage ich.
»Es geht darum, dass Sie was sagen, nicht, dass ich es höre«, sagt er. »Zeichnen Sie all die kleinen interessanten Gedanken auf, die uns so leicht wieder entwischen. Sie können sich aber auch die wirklich großen Fragen stellen. Sehen Sie es teils als Tagebuch, teils als Selbstverhör. Ich bin überzeugt, jemand mit Ihren Fähigkeiten wird in der Lage sein, die Wahrheit herauszuhören, und mag sie noch so sehr in einem Netz aus Ausflüchten und Täuschungen verwoben sein. Wollen Sie das für mich tun?«
»Vielleicht«, sage ich. »Aber wenn ich nicht bald was zu futtern bekomme, dann verschlucke ich es vielleicht doch.«
Lachend geht er davon. Und so kommt es, dass ich jetzt hier liege und wie ein Bekloppter mit mir selbst rede. Hat noch ein paar Tage gedauert, bis ich Katzenjammers kleines Spielzeug hervorgekramt habe. Wenn man im Bett liegt, braucht man schließlich was zum Spielen. Sonst gibt’s auch nichts zu tun. Die Zeitungen heutzutage taugen noch nicht mal mehr dazu, Chips darin einzuwickeln. Fernsehen ist noch schlechter, und zu futtern bekomm ich so wenig, dass ich noch nicht mal genüsslich aufs Klo kann!
Ausbüchsen kann ich auch nicht. Erstens, ich habe nichts anzuziehen. Habe mit Cap telefoniert, sie sagt, sie bringt mir beim nächsten Mal was mit. Zweitens, keine Ausflüchte, meine Beine tragen mich zwar wieder, aber zum Laufen reicht es nicht. Hab die tuntigen Ellbogenkrücken, die sie mir im Krankenhaus gegeben haben, weggeworfen und Cap dazu überredet, mir einen kräftigen Spazierstock zu kaufen. Kurze Sprints sind okay, aber nach einigen Minuten muss ich mich hinsetzen.
Muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass da draußen eine Welt wartet, eine richtige Welt mit Menschen und Pubs, und wahrscheinlich ist sie voller Arschlöcher, die sich vor Lachen in die Hosen machen, weil ich hier drinnen festsitze und mit einer Maschine rede.
Sollen sie lachen.
Ich komme wieder.
So sicher wie das Amen in der Kirche.
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VON :
[email protected] AN :
[email protected] BETREFF : eine aufregende Reise!
Hallo!
Nichts von dir – hält dich vielleicht dein bronzefarbener Doc auf Trab? – nerv, nerv!
Ich hab’s nach Sandytown geschafft & gerade im Kyoto-Haus meine Sachen ausgepackt – das Gebäude steht oben auf einem steilen Felsen, damit einem die gesunde Brise um die Nase wehen kann – sehr ökofreundlich – Solarpanels – windbetriebener Generator – etc. etc. Hübsches Zimmer – mit Blick auf die Nordsee – die im Moment tiefblau funkelt – aber ich hoffe, wir bekommen noch einen Sturm, bevor ich abreise. Schon komisch – das einzige Mal, als ich hier war, habe ich um warmen Sonnenschein gebetet – jetzt will ich Blitz & Donner!
Zunächst zur Reise – wie geplant legten wir in Willingdene einen Zwischenaufenthalt ein, um Gordon Godley, den Heiler, zu treffen.
Ich mochte ihn – hat einen Lattenschuss, dass die Tore wackeln – aber irgendwie ist er nett dabei.
Schwer zu sagen, wie alt er ist – 45 ? – 55 ? – sein schwarzer, silbrig durchzogener zerzauster Vollbart – wie ein Brombeerbusch an einem Herbstmorgen – macht das auch nicht leichter – aber sehr junge & sanfte graue Augen – Nase wie ein Strebebogen in einer Puppenkathedrale & ein liebenswürdiges Lächeln. Ich seh die holden Jungfern aus der Gegend geradezu vor mir, die Schlange stehen, damit er ihnen seine Hände auf die schmerzenden Glieder legt.
Glaube aber nicht, dass er an mir irgendwas fand. Tom tat ein Übriges – stellte mich & meine Arbeit vor, als wäre ich die