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Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)

Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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geeilt, dicht gefolgt von Minnie.
    Die Augen des Kindes leuchteten vor Aufregung, die Mutter war blass vor Entsetzen.
    »Mary, was ist los?«, fragte Charley.
    »Es ist Clara!«, rief die Mutter. »Ich hatte gerade Tom am Telefon. Es gab einen schrecklichen Unfall bei der Sandytown Hall. Die arme Clara, sie ist vom Kliff gestürzt, und so, wie es aussieht, wird sie nicht überleben.«

5
    N achdem sich Peter Pascoe auf den Weg gemacht hatte, schenkte sich Franny Roote eine weitere Tasse Kaffee ein und rollte mit seinem Stuhl ins Haus. Er hielt die Fernbedienung in Richtung LCD -Bildschirm an der Wand, das scharfe Bild des Eingangstors kam ins Blickfeld.
    Pascoes Wagen erschien.
    Er nickte zustimmend, als er sah, wie Peter den Sensor entdeckte und dann in die Kamera winkte. Lächelnd winkte Roote zurück.
    Als der Wagen davonfuhr, nippte er an seinem Kaffee und überließ sich der Selbstbetrachtung. Er war von Natur aus kein grüblerischer Mensch, der viel über sich nachdachte, sein Selbsterhaltungstrieb allerdings hatte ihn schon vor langer Zeit gelehrt, dass er sich selbst kennen musste, wenn seinem Handeln Erfolg beschieden sein sollte. Ohne sich gleich als Soziopath einstufen zu wollen, erkannte er bei sich doch das eine oder andere, was als soziopathisches Element bezeichnet werden konnte. Die Gesellschaft war für ihn ein Meer, das einen entweder nach oben spülte oder in die Tiefe riss. Er wusste mit ihren Strömungen und Tiden umzugehen, so dass sie ihn dorthin trugen, wohin er wollte, und nicht gegen sie ankämpfen und dabei riskieren musste, erschöpft an Land geworfen zu werden. Aber das hieß nicht, dass ihm alle gesellschaftlichen Konventionen fremd waren. Seine Unmoral hatte Grenzen, seine Amoralität war weit davon entfernt, Werturteilen gegenüber völlig gleichgültig zu sein. Die Menschheit war für ihn eher Quell beständiger Unterhaltung denn das verderblichste Geschlecht von kleinem Gewürm. Es gab einige wenige Menschen, die in ihm Gefühle von Loyalität und Liebe wachriefen, aber selbst diese betrachtete er als Ungeheuer, denen er mit fast liebevollem Amüsement begegnen konnte, das dem Mitgefühl gelegentlich nahekam.
    Lady Denham hatte ganz weit oben auf seiner Liste der Ungeheuer gestanden, aber er bewunderte ihre Energie, ihre kompromisslose Offenheit und ihre ungebändigte Sexlust, obwohl er dankbar war, nicht ebenfalls zu einem Objekt ihrer Begierde geworden zu sein. Sie war wie eine große, ausladende, die Sicht versperrende Buche, deren Entfernung den Blick auf alle möglichen fernen Dinge freigab, deren Abwesenheit man aber auch bedauern konnte. Dass sie etwas gegen Lester Feldenhammer in der Hand gehabt hatte, davon war er überzeugt. Worum es sich dabei handelte, hatte er nicht eruieren können, aber er wollte wetten, dass Andy Dalziel es herausfinden würde, wenn er es nicht schon getan hatte. Das zeichnete diesen Mann aus. Kaum vierzehn Tage in Sandytown, und schon wusste er Dinge, die das berühmte Roote-Näschen auch nach einem halben Jahr nicht erschnuppert hatte! Man musste den dicken Scheißkerl bewundern. Okay, wie Lady D. gehörte er dem Genus
monstrum
an – allerdings war er zehnmal gefährlicher als sie –, aber obwohl er ihn zu fürchten hatte, war er weit davon entfernt, ihn zu hassen.
    Ursache für diese Innenschau allerdings war keines dieser beiden Ungeheuer gewesen.
    Sondern Pete Pascoe. Kein Ungeheuer, sondern ein Mensch, dem er anfangs Respekt entgegengebracht hatte und den er mittlerweile liebte.
    Nicht im körperlichen Sinn. Er war ehrlich gewesen, als er dem Polizisten versicherte, dass seine Gefühle nicht homoerotischer Natur waren. Er war bewandert in der sexuellen Liebe, ihren trügerischen Momenten, ihren Wonnen. Darum ging es nicht. Nein, das Maß seiner Gefühle für Peter war der Schmerz, den es ihm bereitete, wenn er ihn belügen musste.
    In der Welt des Franny Roote war ein geglücktes Täuschungsmanöver normalerweise Grund zur Freude, führte zu einer Aufwallung des Blutes, die ihn so geschmeidig machte, dass er das Gefühl hatte, er könnte schlangengleich aus der Haut schlüpfen. Aber nicht dieses Mal. Er hatte seine Unruhe mit Winkelzügen zu kaschieren versucht –
aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge
 –, mit raffinierten Ausflüchten, allerdings wollte er Pascoe gegenüber nicht mehr raffiniert, er wollte offen sein. Er hatte vom unverfälschten Geschmack der Offenheit gekostet, und der machte süchtig. Es gab in der Welt

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