Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
kam es von ihm postwendend. »Daher dachte ich mir, wenn ich herausfinden will, wie doof es ist, wäre es am einfachsten, wenn ich Sie wiedersehe und mich dann frage, wie ich überhaupt auf die Idee kommen konnte.«
Für eine vernünftige erwachsene Frau, die es nicht mochte, von einem Wirrkopf gemocht zu werden, war es im Grunde genommen dämlich, darüber enttäuscht zu sein, aber es versetzte ihr einen Stich, der sich doch ziemlich nach Enttäuschung anfühlte.
»Eine sehr einsichtige Überlegung«, sagte sie beherzt.
»Eigentlich nicht. Es kommt mir jetzt nämlich überhaupt nicht mehr doof vor«, sagte er. »Im Gegenteil, mir erscheint es als vollkommen logisch. Und es tut mir leid, dass ich auch nur eine Sekunde lang geglaubt habe, Sie würden, als Sie mich zum Reden gebracht haben, mit der Polizei unter einer Decke stecken. Als ich später darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich mich irrte, und nachdem ich jetzt soeben mitbekommen habe, wie Sie sich gegenüber den beiden verhalten haben, war ich mir dessen sicher. Nehmen Sie das zur Kenntnis. Meine Gefühle Ihnen gegenüber mögen hoffnungslos sein, aber sie sind auf keinen Fall doof. Und jetzt muss ich los.«
»Wohin? Warum?«, wollte sie wissen.
»Zum Avalon. Sie haben recht, Clara sollte unsere Hauptsorge gelten.«
Er drehte sich um und marschierte steif davon.
Sie war versucht, ihm nachzurufen, ihm zu sagen, dass sie sich unterhalten müssten, fürchtete aber, dass alles, was sie sagte, als Ansporn aufgefasst werden konnte. Wenn er schon wusste, dass alles hoffnungslos war, wollte sie es auf keinen Fall riskieren, dass sich daran etwas änderte.
Als er auf seine Maschine stieg, hielt ein vertrauter, verstaubter alter Defender neben dem Daimler des Anwalts an, und der Fahrer sprang heraus. Es war ein großer junger Mann mit breiten Schultern und entsprechend breitem Lächeln, während er über den Rasen auf sie zukam.
»Hallo, Charley«, sagte er, sobald er nahe genug war. »Sei nicht böse, aber als wir deine Nachricht bekommen haben, konnten wir Dad nur davon abhalten, sofort selber zu kommen und nach dem Rechten zu sehen, indem ich das übernahm. Ich schätze, das ist das kleinere Übel.«
Er hatte recht. Sie hätte sauer sein sollen oder zumindest rechtschaffen empört über die Tatsache, dass der Rammschädel sie immer noch für ein hilfloses Kind hielt, das es zu beschützen galt.
Aber als ihr Bruder sie in die Arme schloss, überraschte es sie selbst noch mehr als ihn, als sie »o George!« sagte und in Tränen ausbrach.
7
M it aristokratischer Gleichgültigkeit blickte der verstorbene Sir Harry Denham auf das Männerquartett herab, das den großen Salon betreten hatte.
War das leichte Schielen Zeugnis von Geshmerays Entschlossenheit, ein wirklichkeitsgetreues Porträt zu malen inklusive sämtlicher Warzen et cetera?, fragte sich Pascoe. Oder hatte er nur die Schnauze voll gehabt, ständig von oben herab behandelt zu werden?
Mr. Beard hatte sich für den Salon entschieden und sie ohne Absprache dorthin geführt. Vermutlich war er hier gewöhnlich von Daphne Denham empfangen worden. Außerdem war er es sichtlich gewohnt, das Kommando zu übernehmen, sogar oder vielleicht besonders in Gesellschaft von Polizisten.
Er setzte sich auf das riesige Sofa. Seine Sekretärin legte neben ihn den Aktenkoffer, das unmissverständliche Signal, dass er allein hier zu sitzen gedenke, dann nahm sie am kleinen, vergoldeten Tisch an der Wand neben dem großen Sekretär Platz, Stift und Notizblock bereit.
Pascoe, Dalziel und Wield rückten ihre Armsessel so, dass sie sich um den Anwalt gruppierten, und ließen sich darauf mit einer Synchronizität nieder, die eines Busby Berkeley würdig gewesen wäre.
»Mr. Pascoe«, begann Beard, »nach allem, was bislang in Erfahrung gebracht wurde, nehme ich an, dass Sie den Täter dieses monströsen Verbrechens noch nicht in Gewahrsam haben?«
»Leider nicht«, sagte Pascoe.
Beard nickte, als konnte ihn das nicht überraschen.
»Und Sie haben auch noch keine Abschrift von Lady Denhams Testament gesehen?«
»Nein.« Sonst würden sie ja kaum ihre Zeit damit verschwenden, mit ihm hier herumzusitzen, dachte sich Pascoe und ließ Dalziel einen kurzen finsteren Blick zukommen, damit er es nicht laut aussprach.
»Verstehe«, sagte Beard und klang dabei, als könnte er durchaus überrascht klingen, falls er sich dazu herablassen würde. »In diesem Fall und in der Annahme, dass Sie jeden als potenziellen
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