Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
Ich unterhielt mich mit Miss Lee – die asiatischer denn je aussah – auch wenn in den letzten Tagen bekannt geworden war, das sie – als Miss Doris Godley – ursprünglich aus Leeds & von Tesco stammt – alles kein Geheimnis mehr – das aber als unerheblich abgetan wurde! Ich fragte sie nach ihrem Bruder – er müsse schon irgendwo sein, sagte sie – aber ich konnte ihn nirgends entdecken.
Ich dachte mir – na, vielleicht meidet er mich ja. Ich meine, es muss sehr schmerzhaft sein, wenn man sich in der Nähe jener Person befindet, der man eine tiefe, aber unerwiderte Leidenschaft entgegenbringt. Ein schlechtes Gewissen hatte ich deswegen schon – aber ziemlich selbstgefällig war ich auch. Ich beschloss, ihn ein bisschen aufzumuntern, falls ich ihn sehen sollte. Als Objekt der Begierde hat man eine gewisse Verantwortung – aber das weißt du ja!
Jemand klopfte mir so heftig auf die Schulter, das es mich fast umriss. Es war Andy Dalziel. Ich sagte – Erinnern Sie mich daran, das ich mich von Ihnen nicht verhaften lasse! Er grinste & sagte – Dann bleiben Sie mal schön sauber, Mädel! – ich bin bald wieder im Dienst –
Ich sagte – um ihn aufzuziehen – & werden Sie den Fall wieder eröffnen? –
Das entlockte ihm eine Reaktion.
– Wie? – Was meinen Sie? – kam es von ihm, sehr verwirrt.
Ich sagte – Ich meine Dr. Feldenhammer & sein Techtelmechtel mit einer Patientin – nach allem, was wir wissen, ist er doch ein Serientäter! –
Er schüttelte den großen Kopf & sagte – Nein, Mädel – ein bisschen Menschlichkeit, was? – wir Männer sind schwache Gefäße – wir sind Wachs in den Händen einer entschlossenen Frau – & nach allem, was ich gehört habe – war dieses indische Mädel sehr entschlossen –
– Dann ist es also – wie immer – die Schuld der Frau? –
– Nein – sagte er – ein Fehler im Design – geben Sie dem Ingenieur die Schuld – nicht der Maschine –
Interessant – schien aus tiefstem Herzen zu kommen – aber bevor ich nachhaken konnte – kam Franny Roote angerollt.
– Hab dich schon gesucht, Roote – sagte Andy – was hat dich so lange aufgehalten? –
& Franny erwiderte – Meine Seelsorge hält sich an keinen Stundenplan, Andy – wie Sie sicherlich feststellen werden, wenn Sie sich bei meinem nächsten Besuch im Avalon zu Ihren Mitpatienten gesellen würden –
– Es gibt kein nächstes Mal – sagte Andy – morgen geht es ab nach Hause – aber es gibt ein paar Dinge, die ich davor noch auf die Reihe kriegen möchte – angefangen mit dir! –
Das klang vielversprechend – doch bevor irgendwas anderes geäußert werden konnte, stimmte die Blaskapelle von Sandytown – die bislang ein Potpourri diverser Lieder aus Fernsehshows gespielt hatte – eine Fanfare an, die sonst der Queen vorbehalten ist, wenn sie irgendwo auftaucht – & nachdem sie verstummt war, kam über Lautsprecher eine Stimme, die ich als die von Diana Parker erkannte – Ladys & Gentlemen – wir fahren mit der Eröffnungszeremonie fort – wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Mann des Tages richten wollen – Mr. Tom Parker! –
Vor dem Hotel war ein Podium aufgebaut – hoch genug, damit alle darauf von der Menge auf dem Rasen zu sehen waren. Tom trat ans Mikro & bekam tosenden Applaus. Er hob die Hände, bis der Lärm verebbt war – dann sagte er – Das hier ist ein großartiges & bedeutsames – & lang erwartetes – Ereignis – das nur von der Abwesenheit einer der Hauptbeteiligten überschattet wird, die mir & allen in Sandytown eine liebe Freundin war. Legen wir daher eine Schweigeminute ein zum Gedächtnis jener, die uns auf so tragische Weise genommen wurde – der lieben Daphne Denham –
Man hätte eine Feder fallen hören können – von einer Nadel ganz zu schweigen.
Dann beendete Tom die Schweigeminute, indem er in die Hände klatschte – worauf alle mit einfielen & in einen noch größeren Applaus ausbrachen als den zu seiner Begrüßung – & das alles für Lady D. Ich hatte Tränen in den Augen – selbst Andy schien gerührt zu sein & der arme Franny neigte den Kopf, um sein Antlitz zu verbergen.
Dann hielt Tom seine Rede. Ich hatte befürchtet, er könnte sich mitreißen lassen – er kann unendlich über die Wunder von Sandytown schwadronieren, wie ich dir zu zeigen versucht habe – aber das hier war ein Meisterstück der Prägnanz – klug –
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