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Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)

Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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jemanden hinter dessen Rücken herziehen ist also okay?«, sage ich.
    »Konstatiere nur die Tatsachen«, erwidert sie schnippisch. »Sieht so aus, als wären Sie auch auf ihrer Speisekarte.«
    Kapiere erst nicht, was sie meint, bis ich wieder zu Lady D. sehe, die mir mit ihrem Glas zuwinkt und mich anlächelt wie ein beleuchtetes Kürbisgesicht.
    Was zum Teufel habe ich getan, dass ich vom bekloppten Patienten zum lieben alten Kumpel aufgestiegen bin?
    Vielleicht ist es die Wir-haben-uns-alle-lieb-Stunde in Sandytown, denn plötzlich taucht der junge Typ auf, der im Pub »Die Indianer-Maid« gepfiffen hat, und gibt Heywood einen schmatzenden Kuss. Hier aber mit umgekehrter Wirkung. Er zielt definitiv auf den Mund, eine kleine Drehung des Kopfes ihrerseits aber lässt ihn zum Wangenknochen abgleiten.
    »Charley, hier sind Sie ja«, sagt er. »Welch eine Freude, Sie wiederzusehen.«
    Er klingt wie ein altmodischer Schauspieler, der auf ernstes Fach macht. Gutaussehender junger Bursche, und das weiß er auch. Schadet ja auch nichts. Wenn du’s hast, dann halt nicht hinterm Berg damit. Schon immer mein Motto.
    Sieht aber nicht so aus, als würde er bei der Heywood viel zum Schmelzen bringen. Sie sagt, sehr anklagend: »Sie haben also Ihrer Tante vom Meeting erzählt?«
    »Natürlich«, antwortet er. »Aber nur in der glühenden Hoffnung, dass sie darauf besteht, hier aufzukreuzen, damit ich eine weitere Gelegenheit bekomme, Sie zu sehen.«
    Das Mädel rollt zwar mit den Augen, aber es ist unverkennbar, dass ihr das gefällt. Der junge Gockel hat gelernt, was alle erfolgreichen jungen Gockel schnell kapieren – dass man sich keine Sorgen machen muss, wenn man bei den Frauen zu dick aufträgt. Wenn sie mitkriegen, worauf man aus ist, kommen sie sich cleverer vor, und genau das wollen sie. Aber wenn von dem zu dick Aufgetragenen dann nicht doch was hängenbleiben soll, müssen sie schon verdammt clever sein.
    »Mr. Dalziel«, sagt sie, »das ist Teddy Denham. Sir Edward, wenn Sie Titel mögen.«
    »Tu ich«, sage ich. »Detective Superintendent Andy Dalziel.«
    Da gefriert ihm für eine Sekunde das Lächeln, als wir uns die Hand geben.
    Noch zwei Weitere sind im Schlepp der großen Dame mitgekommen, zwei Mädels, eine kenne ich nicht, die andere ist die gertenschlanke Nichte Clara, die ich im Pub gesehen habe. Überrascht mich nicht, dass Roote sich auf sie stürzt wie der Wolf auf das Lämmchen. Er kommt vor ihr zum Halt, streckt den Arm aus, greift sich einen Stuhl und zwingt sie regelrecht dazu, sich neben ihn zu setzen, damit sie mit ihm auf einer Höhe ist. Bemerkt nicht – vielleicht kümmert es ihn auch nicht –, dass er damit der anderen, die aussieht, als hätte sie zu Mittag einen Rettichsalat verspeist und würde das jetzt bedauern, den Weg versperrt. Sie könnte leicht um ihn herumgehen, aber das tut sie nicht. Sondern packt sich die Lehne des Rollstuhls, schwingt ihn um neunzig Grad herum und geht zum Fenster an der gegenüberliegenden Seite, während Roote die Wand anstarrt. Clara sieht ziemlich verärgert aus, aber Roote grinst nur, während er sich wieder in Position manövriert. Dem Scheißer muss man nicht mehr beibringen, wie man um Mitgefühl heischt.
    Teddy Denham neben mir trägt immer noch dick auf, diesmal gibt er vor der jungen Heywood damit an, wie belesen er ist.
    Er lässt den Blick durch den Raum schweifen und erklärt: »Das ist genau eines dieser Zusammentreffen, die Austen immer so brillant beschreibt, meinen Sie nicht auch, Charley? Aber vielleicht ziehen Sie ja den dunkleren Blick von George Eliot vor?«
    »Ich weiß nicht«, sagt sie.
    »Wie steht’s mit Ihnen, Mr. Dalziel?
Aimez-vous
George Eliot?«
    Es ist an der Zeit, den ungehobelten Banausen zu geben.
    »Hä?«, sage ich.
    »Mögen Sie George Eliot?«, übersetzt er es mir ganz langsam.
    »Oh, aye«, sage ich. »Meine Großmutter mochte den sehr gern. Hat ständig ›By the Silvery Moon‹ gespielt. Entschuldigen Sie mich.«
    Ich grinse Heywood an, bevor ich gehe, und sie grinst zurück und zwinkert mir zu. Interessantes Mädel. Nicht dumm, nur jung. Und würde auch gar nicht schlecht aussehen, wenn sie es zulassen würde, dass sie in ihren Körper reinwächst. Erinnert mich ein wenig an Cap.
    Leute, die allein sein wollen, gehen meiner Erfahrung nach mit dem Gedanken schwanger, dass sie sich entweder umbringen oder das Silber klauen wollen. Also geselle ich mich zu der sauertöpfischen Frau am Fenster, um herauszufinden,

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