Der Tod im Eis
übernächsten Nacht hatten sich die beiden Befallenen befreit - oder waren befreit worden. Denn bald schon hatten sich die Hinweise gemehrt, daß sie in der Station nicht mehr unter sich waren.
Mißtrauen hatte sich einer erstickenden Wolke gleich über die Station gelegt. Niemand hatte niemandem mehr vertraut; jeder fürchtete, der andere könnte ebenfalls schon von der unheimlichen Krankheit befallen sein und nur auf einen günstigen Augenblick warten, um zuzuschlagen.
Auf der Suche nach Murphy und Da Silva hatten sie dann die - Eier gefunden.
Hüfthohe, ovale Gebilde, die in Kokons aus Schleim gehüllt waren, den wiederum etwas wie ein dunkles Aderwerk durchlief. Adern, die im Takt eines unsichtbaren Herzens pulsierten und schwarzes Blut führten.
Die Dinger hatten in einem kaum genutzten Lagerraum der Station gestanden, und vielleicht wären sie nicht darauf aufmerksam geworden, wenn das dröhnende Pochen, das sie aussandten, sie nicht angelockt hätte.
Doch sie waren nicht dazu gekommen, die widerwärtigen Eier näher zu untersuchen. Denn kaum daß die Wissenschaftler die Gebilde entdeckt hatten, erfolgte der Angriff!
Murphy und Da Silva waren wieder aufgetaucht, und mit ihnen zwei weitere Männer, die Hodges als die beiden Inuit erkannt hatte, die die Station regelmäßig mit Nachschub belieferten.
Und außer ihnen ein weiterer Mann.
Oder - eine Kreatur .
Der andere war nackt gewesen, unnatürlich bleich, und die Blässe war durch sein langes dunkles Haar noch unterstrichen worden. Sein Gesicht war das eines normalen, wenn auch nicht gerade schönen Menschen gewesen - eine Sekunde lang zumindest.
Dann hatte es sich verzerrt, so rasch, daß man glauben konnte, der andere hätte sich eine grauenerregende Maske übergestülpt. Er war innerhalb eines Lidschlags zum Monstrum mutiert, wie Hodges es noch in keinem Film furchterregender gesehen hatte.
Er hatte mindestens drei seiner Kollegen sterben sehen. Und die Schreie der anderen hatten Hodges auf seiner Flucht hinaus in die Station begleitet, als klebten sie auf widernatürliche Weise an ihm.
Wenn er sich konzentrierte, glaubte er sie noch jetzt zu hören, da er sich in diesem Raum eingeschlossen hatte. Aber das war pure Einbildung, ein Streich seines gequälten Geistes.
Die anderen mußten längst tot sein. Und sollte es tatsächlich einem oder gar mehreren gelungen sein, zu entkommen, würden sie sich hüten, durch Schreie auf sich aufmerksam zu machen.
Wieder fuhr Xander Hodges sich über Stirn und Wangen, als könnte er die grausamen Bilder damit fortwischen. Dann wandte er sich endlich dem zu, weswegen er ausgerechnet diesen Raum aufgesucht hatte, obwohl andere näher gelegen hätten.
Sein Blick tastete unstet über die Videofunk-Apparatur, die an der Stirnseite des Raumes stand. Er war nicht sonderlich versiert im Umgang damit, aber er hoffte, sie in Gang bringen zu können. Er drückte den Hauptschalter und berührte dann eine Reihe von Sensortasten, bis alle Anzeigen grün strahlten.
Als seine Hand nach dem Schalter der Videokamera langte, schien sein Arm zu vereisen. Sein Finger blieb ein paar Millimeter von der Taste entfernt in der Luft hängen.
Ein Geräusch hatte ihn erreicht.
Schritte.
Draußen auf dem Flur.
Hodges' Kopf flog herum, sein Blick ging zur Tür, zur Klinke.
Sie bewegte sich. Zentimeter um Zentimeter wurde sie nach unten gedrückt, bis zum Anschlag.
Dann drückte jemand von draußen gegen die Tür. Vorsichtig erst, dann heftiger, und schließlich warf sich ein Körper so kräftig dagegen, daß der Stahl dröhnte und vibrierte.
Xander Hodges zitterte, und sein Finger fand den Schalter der Kamera erst beim zweiten Versuch. Er hielt sich nicht länger mit Feinjustierungen auf. Er wollte nur eines: seine Meldung absenden, ehe die Tür aufgebrochen wurde. Ehe sie hereinkamen, um ihn .
Es dauerte kaum zwei Sekunden, bis die »Ready«-Meldung im Display erschien, doch Hodges erschienen sie wie mindestens zwei Ewigkeiten. Das Objektiv der Kamera glotzte ihn wie eine leere Augenhöhle an. Man würde ihn in der Zentrale für verrückt halten, für völlig übergeschnappt.
Aber das war ihm egal. Sie würden ihn ohnehin nicht mehr lebend antreffen, wenn sie Hilfe schickten.
Wichtig war nur, daß sie jemanden schickten. Jemanden, der diese Bestien stoppte!
»Hier spricht Dr. Xander Hodges von der Forschungsstation Icy Cape, Alaska«, begann er mit bebender Stimme. »Etwas hat von unserer Station Besitz ergriffen, und ich
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