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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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dann mehrere Male mit entzücktem Gesicht die Worte des Propheten über die Flöhe. Ich begriff, daß er die Sache als einen guten Streich ansah, den die Türken "diesem Idioten von Ritterbach"
    gespielt hatten. Ich weiß nicht, ob er sich nachher den Spaß gemacht hat, alles dem Leutnant weiterzuerzählen, aber auf jeden Fall war das ohne Bedeutung, denn zwei Tage später ließ sich Ritterbach törichterund unnützerweise vor meinen Augen töten, und man hätte wirklich denken können, er habe es absichtlich getan, denn ausgerechnet an diesem Tage hatte er seine sämtlichen Orden und seine eleganteste Uniform angelegt. Ich ließ ihn in sein Zelt schaffen, Rittmeister Günther holen und blieb mit dem Unteroffizier Schrader zu Häupten der Leiche stehen. Nach kurzer Zeit kam der Rittmeister, nahm Aufstellung zu Füßen des Betts, salutierte, schickte Schrader hinaus und fragte mich, wie es gekommen sei. Ich berichtete es mit allen Einzelheiten. Er runzelte die Stirn, und als ich zu Ende war, fing er an, im Zelt hin und her zu gehen, wobei er hinter dem Rücken die Hände aufund zumachte. Dann blieb er stehen, betrachtete mit unzufriedener Miene den Leichnam und brummelte zwischen den Zähnen: "Wer hätte gedacht, daß dieser Idiot. .."
    Dann warf er mir einen flüchtigen Blick zu und schwieg. Am nächsten Tag fand ein Unternehmen statt, und danach hielt uns der Rittmeister eine kleine Rede. Ich fand, daß es eine schöne Rede war und gewiß für die Moral der Leute nützlich, aber daß vielleicht der Rittmeister Ritterbach mehr Lob spendete, als dieser verdiente.
    Am 19. September 1918 griffen die Engländer mit starken Kräften an, und die Front brach zusammen. Die Türken flohen nach Norden, man hielt in Damaskus an, aber es war nur ein kurzer Aufschub, und wir mußten weiter bis Aleppo zurückgehen. Anfang Oktober wurde unsere Abteilung nach Adana befördert, am Golf von Alexandrette; wir verbrachten dort untätig einige Tage, und Suleiman erhielt für seine Tapferkeit während des Rückzugs das Eiserne Kreuz.

    Gegen Ende Oktober brach in den Dörfern um Adana herum die Cholera aus, erreichte dann allmählich den Ort selbst, und am 28. Oktober wurde Rittmeister Günther binnen weniger Stunden von ihr hingerafft. Das war ein trauriges Ende für einen Helden. Ich bewunderte Rittmeister Günther, dank ihm hatte ich ins Heer eintreten können, aber an diesem und an den folgenden Tagen wunderte ich mich, daß sein Tod keine größere Wirkung auf mich ausübte. Als ich darüber nachdachte, wurde mir klar, daß die Frage, ob ich ihn liebte oder nicht, nicht mehr in Betracht kam als zum Beispiel in bezug auf Vera. Am Abend des 31. Oktober erfuhren wir, daß die Türkei mit der Entente einen Waffenstillstand abgeschlossen hatte. "Die Türkei hat kapituliert", sagte mir Suleiman beschämt, "und Deutschland kämpft noch!"
    Den Befehl über die Abteilung Günther erhielt Hauptmann Graf Reckow, und der Rückmarsch in die Heimat begann. Wir schlugen uns langsam über den Balkan nach Deutschland durch. Der Marsch war sehr beschwerlich, weil wir nur mit unsern leichten Kolonialuniformen bekleidet waren und die Kälte, die für die Jahreszeit ungewöhnlich lebhaft war, große Verheerungen unter uns anrichtete. In Mazedonien, am 12. November, an einem grauen, regnerischen Morgen, als wir aus einem elenden Dorf heraus waren, in dem wir die Nacht zugebracht hatten, befahl Hauptmann Graf Reckow, zu halten und auf der linken Straßenseite Front zu machen. Er selbst begab sich auf ein umgepflügtes Feld und ritt so weit zurück, daß er auch die beiden Flügel der Kolonne übersehen konnte. Eine ganze Weile schwieg er. In sich zusammengefallen, saß er im Sattel, und sein Schimmel sowie seine zerschlissene Uniform bildeten einen hellen Fleck gegen die dunkle Erde. Endlich hob er den Kopf, machte mit der rechten Hand eine kleine Bewegung und sagte mit ungewöhnlich schwacher und tonloser Stimme: "Deutschland hat kapituliert."
    Ein guter Teil der Leute hörte es gar nicht, und es entstand von einem Ende der Kolonne zum andern eine Bewegung und ein Getuschel. Mit seiner gewöhnlichen Stimme rief von Reckow: "Ruhe!"
    Es trat Stille ein, und er wiederholte, kaum lauter als vorher: "Deutschland hat kapituliert."
    Darauf gab er seinem Pferd die Sporen, setzte sich wieder an die Spitze der Kolonne, und man hörte nur noch das Klappern der Hufe. Ich sah geradeaus vor mich hin, und mir war, als ob sich unter meinen Füßen plötzlich ein großes

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