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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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halben Liter Magermilch eintrug. Die Arbeit, die man mir anvertraute, war leicht. Ich nahm die Schranktüren eine nach der anderen und schlug mit einem Hammer einen kleinen Stahlbolzen in die Türbänder ein, um ihnen die richtige Form für die Angeln zu geben. Einen Schlag auf den Kopf des Bolzens, damit er hineinging, zwei kleine Schläge von der Seite, damit er Spiel bekam, und dann zog ich ihn mit der linken Hand heraus. Ich legte immer vier Türen übereinander auf die Werkbank. Wenn eine Tür fertig war, ließ ich sie hinuntergleiten und lehnte sie an einen Pfeiler. Wenn alle vier Türen fertig waren, trug ich sie an einen anderen Pfeiler, links neben dem Monteur, der sie in die Angeln der Schränke einsetzte. Da die Türen ziemlich schwer waren, trug ich anfangs immer nur eine. Aber nach einer Stunde befahl mir der Meister, zwei auf einmal zu nehmen, um Zeit zu sparen. Ich gehorchte, aber da fing die Schwierigkeit an. Der Monteur -ein Alter namens Karl -kam viel weniger schnell voran als ich, weil er, nachdem er die Türen eingehängt hatte, noch die schweren, sperrigen Schränke mit der Hand fortbewegen und auf die Karren laden mußte, die sie in die Malerwerkstatt brachten. Ich hatte also einen Vorsprung vor ihm, und die Türen, die ich durchgesehen hatte, fingen an, sich an seinem Pfeiler zu häufen. Der Meister merkte es und sagte dem alten Karl, er solle schneller machen. Der strengte sich an, aber selbst dann gelang es ihm nicht, mitzukommen, und jedesmal, wenn ich neue Türen brachte, brummte er: "Langsam, Mensch, langsam!"
    Aber ich sah nicht, wie ich langsamer machen könnte, wenn ich zwei Türen auf einmal trug. Schließlich wurde der Stapel Türen beim alten Karl immer größer, der Meister kam und machte in schrofferem Ton wieder eine Bemerkung. Karl beschleunigte sein Tempo, er wurde ganz rot und schwitzte, aber es half alles nichts. Als die Sirene ertönte, hatte sich sein Rückstand nicht vermindert. Dann wusch ich mir im Waschraum Hände und Gesicht. Der alte Karl stand neben mir. Er war ein großer, magerer, braunhaariger, bedächtiger Preuße. Er mochte fünfzig Jahre alt sein. Er sagte zu mir: "Warte auf mich am Ausgang. Ich habe mit dir zu reden."
    Ich nickte, zog meinen Mantel an, gab beim Pförter meine Marke ab und ging durchs Tor. Der alte Karl wartete schon auf mich. Er winkte mir, ich folgte ihm, wir gingen ein paar Minuten schweigend nebeneinander, dann blieb er stehen und sah mir ins Gesicht. "Hör mal, Junge, ich habe nichts gegen dich, aber so kann das nicht weitergehen. Du bringst mich in Verzug."
    Er sah mich an und wiederholte: "Du bringst mich in Verzug. Und wenn ich im Verzug bin, kann mir die Gewerkschaft nicht helfen."

    Ich sagte nichts, und er fuhr fort: "Du scheinst das nicht zu verstehen. Weißt du, was geschieht, wenn ich in Verzug gerate?"
    "Nein."
    "Zuerst Vorhaltungen, dann Abzüge und schließlich. ..", er ließ seine Finger knacken, ". ..Rausschmiß!"
    Ein Schweigen entstand, dann sagte ich: "Ich kann doch nichts dafür. Ich hab' gemacht, was der Meister gesagt hat."
    Er sah mich eine Weile an. "Arbeitest du das erste Mal in einer Fabrik?"
    "Ja."
    "Und vorher, wo warst du da?"
    "Beim Heer."
    "Freiwillig gemeldet?"
    "Ja."
    Er schüttelte den Kopf und fuhr fort: "Hör mal, du mußt langsamer machen."
    "Aber ich kann doch nicht langsamer machen. Sie haben doch selbst gesehen. .."
    "Zuerst mal", unterbrach mich der alte Karl, "sag nicht Sie zu mir! Was sind das für Manieren?"
    Er fuhrfort: "Mit dem Kameraden, der vor dir da war, ging alles gut. Und der hatte auch Anweisung, mir zwei Türen auf einmal zu bringen."
    Er brannte sich eine alte, schwarze, schartige Pfeife an "Wie viele von den Türbändern, die du einpaßt, meinst du, sind so eng, daß es schwer ist, den Bolzen wieder herauszukriegen?"
    Ich überlegte. "Einer von fünfzehn oder zwanzig."
    "Und da verlierst du Zeit?"
    "Ja."
    "Na hör mal, es gibt doch auch Türbänder, in die der Bolzen ohne Hammer wie geschmiert reingeht?"
    "Ja."
    "Und da sparst du Zeit?"
    "Ja."
    "Gut. Hör jetzt gut zu, Junge. Morgen wird von zehn Türbändern eins schwer gehen."
    Ich sah ihn verdutzt an. Er sagte: "
    Verstehst du das nicht?"
    Ich sagte zögernd: "Sie wollen damit sagen, daß ich so tun soll, als ob ich in einem von zehn Fällen Mühe hätte, den Bolzen herauszuziehen?"
    "Ganz richtig!"
    sagte er befriedigt. "Aber das ist noch nicht alles. Wenn du weite Türbänder hast, mußt du den Bolzen mit dem Hammer einschlagen und

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