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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nichts."
    Er rieb seine gebrochene Nase mit dem Handrücken. "Und wenn er fliegt, werden die Kameraden in der Fabrik dich schief ansehen."
    "Dafür kann ich doch nichts."
    "Doch, du kannst was dafür ."
    Es entstand ein Schweigen und dann sagte ich: "Ich tu' meine Pflicht."
    "Deine Pflicht!"
    schrie Schrader und sprang auf, daß die Schöße seines Hemdes um ihn herumflogen. "
    Willst du wissen, wohin deine Pflicht dich führt? Dazu, daß täglich fünf Schränke mehr gemacht

    werden, damit der alte Säcke mehr Geld in seine Tasche kriegt, die schon zum Platzen voll sind. Hast du heute früh den alten Säcke in seinem Mercedes kommen sehen? Mit seiner Fresse wie ein rosa Ferkel und seinem Wanst! Da kannst du sicher sein, daß der nicht auf einer Pritsche schläft. Und die Milch in seinem Morgenkaffee ist auch keine Magermilch, bestimmt nicht. Ich will dir sagen, was die Folge deiner verfluchten 'Pflicht' ist, Rudolf: daß der alte Karl auf der Straße liegt und der alte Säcke mehr verdient."
    Ich wartete, bis er sich etwas beruhigt hatte, und sagte: "Solche Erwägungen stelle ich nicht an. Für mich ist die Frage klar. Man stellt mir eine Aufgabe, und meine Pflicht ist es, sie gut und gründlich auszuführen."
    Schrader ging mit bestürzter Miene ein paar Schritte im Zimmer hin und her, dann trat er wieder an den Tisch. .Der alte Karl hat fünf Kinder."
    Ein Schweigen entstand, und ich sagte sehr schnell, schroff und ohne ihn anzusehen: "Das spielt dabei keine Rolle."
    "Zum Donnerwetter!"
    schrie Schrader und schlug mit der Faust auf den Tisch. "Du bist widerlich."
    Ich stand auf, verbarg meine zitternden Hände in den Taschen und sagte: "Wenn ich dir widerlich bin, kann ich ja gehen."
    Schrader sah mich an, und sein Zorn verebbte augenblicklich. "Wahrhaftig, Rudolf", sagte er mit seiner gewöhnlichen Stimme, "manchmal frage ich mich, ob du nicht verrückt bist."
    Er steckte die Schöße seines Hemdes in die Hose, ging zum Schrank und kam mit Brot, Schmalz und Bier zurück. Er setzte alles auf den Tisch. "Zu Tisch! Zu Tisch!"
    sagte er mit gekünstelter Heiterkeit. Ich setzte mich wieder. Er strich ein Brot und gab es mir herüber . Dann machte er eins für sich und fing an zu essen. Als er damit fertig war, goß er sich ein Glas Bier ein, brannte sich eine halbe Zigarette an, klappte sein Messer zusammen und steckte es in die Tasche. Er sah traurig und müde aus. "Tja", sagte er nach einer Weile, "so ist das im Zivilleben. Du steckst im Dreck bis an den Hals, und niemand ist da, der dir Befehle gibt. Niemand, der dir sagt, was du tun sollst. Du mußt immer alles selber entscheiden."
    Ich dachte einen Augenblick darüber nach und war der Meinung, daß er recht hätte. Als ich am nächsten Morgen meine Arbeit wieder anfing, ging ich beim alten Karl vorbei, er lächelte mir zu und sagte in herzlichem Ton: "Na, Junge?"
    Ich sagte ihm guten Tag und begab mich an meine Werkbank. Meine Knie waren weich, und Schweiß lief mir zwischen den Schulterblättern den Rücken hinunter. Ich legte vier Türen auf einander. Die Halle fing an zu vibrieren vom Gekreisch der Maschinen, die das Blech zerschnitten. Ich nahm meinen kleinen Stahlbolzen, meinen Hammer und machte mich an die Arbeit. Ich stieß zunächst auf schwierige Türbänder, ich verlor etwas Zeit, und als ich die vier ersten Türen zu Karl brachte, lächelte er mich wieder an und flüsterte mir zu: "So klappt es, Junge!"
    Ich wurde rot und antwortete nicht. Die nächsten Türen waren gleichfalls schwierig, und ich hoffte schon, daß an diesem und den folgenden Tagen alle so sein würden und daß auf diese Weise kein Problem entstünde. Aber nach einer Stunde gab es keine Schwierigkeiten mehr, die Türbänder waren so weit, daß ich den Hammer nicht mehr zu benutzen brauchte, um den Bolzen einzuführen. Ich fühlte, wie mir wieder Schweiß über den Rücken lief. Ich zwang mich, das Denken auszuschalten. Nach ein paar Minuten löste sich etwas in mir, und ich fing an, blindlings, mit der Perfektion einer Maschine, draufloszuarbeiten. Nach Verlauf einer Stunde stand jemand vor meiner Werkbank; ich blickte nicht auf. Ich sah, wie eine Hand über meine Türen strich, die Hand hielt eine kleine schwarze, ausgebrochene Pfeife, die Pfeife klopfte zweimal hart auf das Metall, und ich hörte die Stimme des alten Karl, der sagte: "Was fällt dir denn ein?"
    Ich legte den Bolzen an die Öffnung des Türbands, stieß zu, und er ging ohne Schwierigkeiten hinein. Ich zog ihn sofort

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