Der Tod ist mein Beruf
die Pistole auf dem Tisch, aber bevor ich Zeit gehabt hätte, sie zu verstecken, ging die Tür auf. Es war Siebert. Er blieb auf der Schwelle stehen und grüßte durch Handanlegen. Ich ging ihm rasch entgegen und stellte mich vor den Tisch. Er sagte: "Stör ich dich auch nicht?"
"Nein."
"Ich wollte dir bloß einmal guten Tag sagen."
Ich antwortete nicht, er wartete eine Sekunde, dann schloß er die Tür und trat einen Schritt ins Zimmer herein. "Deine Wirtin war sehr überrascht, als ich nach dir fragte."
"Ich bekomme nie Besuch."
"So?"
sagte er. Er lächelte, seine spitze Nase schien noch länger zu werden, und seine großen Ohren schienen noch mehr abzustehen. Er tat noch
einen Schritt vorwärts, sah sich im Zimmer um und zog eine Grimasse. Dann warf er mir einen Blick zu und wandte sich zum Fenster . Ich ging um den Tisch herum und stellte mich zwischen ihn und den Tisch. Er steckte die Hände in die Taschen und sah auf die Dächer hinaus. "Du hast wenigstens Aussicht."
"Ja."
Er war viel größer als ich, meine Augen waren in Höhe seines Nackens. "Ein bißchen kalt im Winter, nicht?"
"Ich weiß nicht. Ich wohne erst seit zwei Monaten hier."
Er machte auf den Hacken kehrt und stand mir nun gegenüber . Sein Blick ging über meinen Kopf hinweg, und er hörte auf zu lächeln. "Hallo!"
sagte er. Ich machte eine Bewegung, er schob mich mit der flachen Hand sacht zur Seite und ergriff die Pistole. Ich sagte eindringlich: "
Vorsicht! Sie ist geladen."
Er warf mir einen scharfen Blick zu, nahm die Waffe und untersuchte das Magazin. Er sah mich fest an. "Und sie ist nicht gesichert."
Ein Schweigen entstand, und er fuhr fort: "Ist das deine Gewohnheit, eine geladene Pistole auf dem Tisch liegen zu haben?"
Ich antwortete nicht, er legte die Waffe hin und setzte sich auf den Tisch. Ich setzte mich auch. "Ich habe dich aufgesucht, weil ich etwas nicht verstehe."
Ich schwieg, und nach einer Weile begann er wieder: "
Warum hast du mir deine Schulden auf einen Schlag bezahlen wollen?"
"Ich habe nicht gern Schulden."
"Du hättest die Hälfte bezahlen können. Und die andere Hälfte nächste Woche. Ich habe dir doch gesagt, daß es mir nichts ausmachen würde."
"Ich schleppe nicht gern Schulden mit mir herum."
Er sah mich an. "So!"
sagte er lächelnd. "Du schleppst nicht gern Schulden mit dir herum, und jetzt hast du gerade noch so viel übrig, daß du drei Tage zu essen hast, aber die Woche hat sieben Tage, mein Herr."
Ich antwortete nicht, sein Blick glitt über den Tisch, er zog plötzlich die Brauen hoch, und seine Lippen wurden noch dünner . "Mit Zigaretten zwei Tage."
Er nahm die Schachtel, betrachtete sie aufmerksam und pfiff. "Du läßt dir nichts abgehen."
Ich antwortete nicht, und er fuhr in sarkastischem Ton fort: "Hat dir vielleicht dein Vormund eine Postanweisung geschickt?"
Ich wandte den Kopf, sah ins Leere und sagte schroff und hastig: "Das geht dich alles nichts an."
"Gewiß, mein Herr, das geht mich nichts an."
Ich drehte ihm das Gesicht zu. Er sah mich fest an. "Selbstverständlich geht mich das nichts an. Du willst um jeden Preis bezahlen, was du mir schuldest: Das geht mich nichts an. Du hast nur noch drei Tage zu essen: Das geht mich nichts an. Du kaufst Zigaretten wie ein Millionär: Das geht mich nichts an. Du hast eine geladene Pistole auf deinem Tisch liegen: Und auch das geht mich nichts an."
Er sah mich fest an. Ich wandte den Kopf weg, aber ich fühlte seinen Blick auf mir ruhen. Es war, als ob Vater mich angeblickt hätte. Ich steckte meine Hände unter den Stuhl, preßte meine Knie zusammen und fragte mich besorgt, ob ich nicht anfangen würde zu zittern. Das Schweigen dauerte eine ganze Weile, dann sagte Siebert mit verhaltener Wut: "Du willst dich umbringen."
Ich machte eine heftige Anstrengung und sagte: "Das ist meine Sache."
Er sprang auf, packte mich mit beiden Händen vorn am Hemd, hob mich vom Stuhl auf und schüttelte mich. "Du Schweinehund", zischte er, "du willst dich umbringen."
Seine Blicke brannten, ich drehte den Kopf weg, ich fing an zu zittern und wiederholte leise: "Das ist meine Sache."
"Nein!"
schrie er auf, während er mich schüttelte, "das ist nicht deine Sache, du Schweinehund. Und was wird aus Deutschland?"
Ich senkte den Kopf und sagte: "Deutschland ist futsch."
Ich fühlte, wie Sieberts Finger mein Hemd losließen, und wußte, was geschehen würde. Ich hob den rechten Arm, aber es war zu spät. Seine Hand klatschte mit voller Wucht
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