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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Eile einen verwaltungstechnischen Grund angeben mußte, und sagte: "Ich sehe keinen Grund, daß ich noch zwei Jahre lang Kirchensteuern bezahlen soll, da ich keiner Kirche mehr angehöre."
    Der Beamte richtete sich in seinem Stuhl auf, sah seinen Kollegen an, und seine Augen fingen wieder an, hinter den Brillengläsern zu blitzen. "Sicher, sicher, mein Herr, werden Sie zwei Jahre lang keine Kirchensteuer zu zahlen haben, aber die Vorschrift sagt ausdrücklich ...", er machte eine Pause und zeigte mit dem Finger auf mich, ". ..daß Sie eine Ausgleichsabgabe zu zahlen haben, die höher ist als die Kirchensteuer. "
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete mich mit triumphierender Miene. Der Weißhaarige lächelte. Ich sagte barsch: "Das ist mir ganz gleichgültig."
    Die Brillengläser des Beamten blitzten wieder, er kniff die Lippen zusammen und blickte seinen Kollegen an. Dann beugte er sich hinunter, zog eine Schublade auf, entnahm ihr drei Formulare und legte sie -oder vielmehr: warf sie auf die Tafel. Ich nahm die Formulare und füllte sie sorgfältig aus. Als ich damit fertig war, reichte ich sie dem Beamten. Er warf einen Blick darauf, machte eine Pause und las dann mit einem Grinsen laut vor: "Konfessionslos, aber gottgläubig. Das sind Sie also?"
    "Ja."
    Er warf seinem Kollegen einen Blick zu. "Das sind. ..Ihre neuen philosophischen Überzeugungen?"
    "Ja."
    "Es ist gut", sagte er und faltete die Blätter zusammen. Ich grüßte mit einem Kopfnicken. Er geruhte nicht, mich zu sehen. Er sah seinen Kollegen an. Ich machte kehrt und wandte mich dem Ausgang zu. Ich hörte, wie er hinter meinem Rücken murmelte: "Wieder einer von der neuen Sippschaft."

    Auf der Straße zog ich den "Völkischen Beobachter"
    aus der Tasche und vergewisserte mich der Adresse. Es war ziemlich weit, aber die Straßenbahn zu benutzen, kam nicht in Frage. Ich lief ungefähr eine Dreiviertelstunde. Ich war ganz außer Atem. Am Abend vorher hatte ich auf eine Mahlzeit verzichten müssen. Zu Mittag hatte mir Siebert die Hälfte seines Brots gegeben und mir ein paar Mark geliehen. Als ich die Baustelle verließ, hatte ich mir ein Stück Brot gekauft. Aber der Hunger fing wieder an zu bohren, und die Beine wurden schwach. Die Geschäftsstelle der Partei lag im ersten Stock. Ich klingelte, die Tür wurde ein Stück geöffnet, und ein braunhaariger junger Mann zeigte sich in der Öffnung. Seine schwarzen Augen blickten aufmerksam. "Sie wünschen?"
    "Ich will mich einschreiben lassen."
    Die Tür öffnete sich etwas weiter. Hinter dem jungen Braunhaarigen sah ich den Rücken eines andern jungen Mannes, der an einem Fenster stand. Die Sonne legte einen roten Strahlenkranz um seinen Kopf. Es vergingen einige Sekunden, dann drehte sich der Rothaarige um, machte ein Zeichen mit dem Daumen und sagte: "In Ordnung."
    Die Tür wurde jetzt vollständig geöffnet, und ich trat ein. Etwa zehn junge Leute im Braunhemd blickten mich an. Der junge Braunhaarige nahm mich am Arm und sagte mit außerordentlich sanfter und höflicher Stimme: "Bitte, kommen Sie."
    Er führte mich an einen kleinen Tisch, ich setzte mich. Er gab mir ein Formular, und ich begann es auszufüllen Als ich damit fertig war, reichte ich dem jungen Mann das Formular, er nahm es und ging, sich zwischen den Tischen hindurchschlängelnd, damit nach hinten. Seine Bewegungen waren lebhaft und graziös. Er verschwand durch eine graugestrichene Tür . Ich sah mich um. Der Raum war groß und hell. Mit seinen Kartothekschränken, seinen Schreibtischen und seinen zwei Schreibmaschinen ließ er auf den ersten Blick an ein beliebiges Kontor denken. Aber die Atmosphäre war nicht die eines Kontors. Die jungen Leute trugen alle ein braunes Hemd, Koppel und Stiefel. Sie rauchten und unterhielten sich. Einer las eine Zeitung. Die anderen taten nichts Besonderes, und doch schienen sie keine Müßiggänger zu sein. Es sah aus, als warteten sie. Ich stand auf. Es lag so etwas wie eine Spannung in der Luft. Ich betrachtete die jungen Männer im Braunhemd. Keiner von ihnen schien auf mich achtzugeben, und dennoch hatte ich den Eindruck, daß nicht eine meiner Bewegungen ihnen entging. Ich trat ans Fenster, lehnte meine Stirn an die Scheibe, und eine Sekunde lang zog es mir schmerzhaft durch den Magen. .

    "Schönes Wetter, nicht wahr?"
    Ich wandte den Kopf, der junge Rothaarige stand neben mir, so nahe, daß sein Arm meine Hüfte berührte. Er lächelte übers ganze Gesicht, zutraulich, aber seine

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