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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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log. Die rote Betonmaschine log. Und in diesen Lügen steckte ein grausamer Sinn. Alles verschwor sich gegen mich. Eine drückende Stille senkte sich herab. Ich beobachtete die Kameraden, ihre Lippen bewegten sich, ich vernahm kein einziges Wort, aber ich verstand sehr gut, daß sie absichtlich ihre Lippen bewegten, ohne zu sprechen, um mich glauben zu machen, ich sei verrückt. Ich hatte Lust, ihnen zuzurufen: ,Ich durchschaue euer Spiel, ihr Schweinehunde!, Ich öffnete schon den Mund, aber plötzlich flüsterte mir eine Stimme etwas ins Ohr, die dumpf und abgehackt klang, die Stimme meines Vaters. Acht Stunden täglich handhabte ich die Schaufel. Sogar nachts im Traum handhabte ich sie. Oft träumte ich, daß ich nicht schnell genug schaufelte, das glänzende blanke Metall der Schraube erschien, der Meister fing an zu schimpfen. In Schweiß gebadet, wachte ich auf, die Hände um einen unsichtbaren Stiel gekrampft. Manchmal sagte ich mir: "Du bist jetzt zur Schaufel geworden. Du bist eine Schaufel."
    So vergingen die Tage, und ich faßte den Entschluß, mich zu töten. Ich bestimmte dazu den Sonnabend, denn um essen zu können, hatte ich Siebert auf meinen künftigen Lohn hinangeborgt, und ich wollte meine Schulden zurückzahlen, ehe ich starb. Der Sonnabend kam, und ich bezahlte meine Schulden. Mir blieb noch so viel, daß ich drei Tage davon leben konnte, wenn ich sehr bescheiden war. Ich entschloß mich, alles gleich am selben Tag auszugeben und mich vor dem Tode wenigstens noch einmal satt zu essen. Ich benutzte die Straßenbahn, und bevor ich in meine Kammer hinaufstieg, kaufte ich Speck, Brot und eine Schachtel Zigaretten. Ich stieg die fünf Treppen hoch, öffnete die Tür und dachte daran, daß Frühling war. Die Sonne fiel schräg durch das kleine, weit offenstehende Fenster herein, und zum erstenmal seit einem Monat sah ich mich in meinem Zimmer um. Da waren eine Matratze auf einem Holzgestell, ein Tisch aus rohem Holz, ein Waschbecken und ein Schrank. Die Wände waren schwarz von Schmutz. Ich hatte sie abgewaschen, aber das hatte nichts genützt. Man hätte sie abschwaben müssen. Ich hatte einen Versuch gemacht, aber nicht die Kraft gehabt, damit fortzufahren. Ich legte mein Paket auf den Tisch, fegte mein Zimmer aus, ging dann auf den Flur hinaus, um an dem Etagenhahn Wasser zu holen, kehrte zurück und wusch mir Gesicht und Hände. Ich ging wieder hinaus, um das schmutzige Wasser auszugießen, und als ich ins Zimmer zurückkam, trennte ich die Naht meiner Matratze zehn Zentimeter breit auf, fuhr mit der Hand in die Öffnung und holte meine Mauserpistole heraus.

    Ich entfernte die Lappen, in die sie gewickelt war, untersuchte das Magazin, zog die Sicherung zurück und legte dann die Waffe auf den Tisch. Den Tisch rückte ich vor das Fenster, um die Sonne zu genießen, und setzte mich. Ich schnitt acht ziemlich dünne Scheiben Brot und legte auf jede ein viel dickeres Stück Speck. Ich kaute ohne Hast, methodisch. Während des Essens betrachtete ich die in Reih und Glied auf dem Tisch liegenden Brot und Speckschnitten, und jedesmal, wenn ich eine nahm, zählte ich die noch übrigen. Die Sonne beleuchtete meine Hände, und im Gesicht fühlte ich ihre Wärme. Ich war in Hemdsärmeln, ich dachte an nichts, ich war glücklich, essen zu können. Als ich fertig war, las ich die Krumen auf dem Tisch zusammen und warf sie in einen alten Marmeladeneimer, der mir als Mülltonne diente. Dann wusch ich mir die Hände. Da ich keine Seife hatte, rieb ich sie lange in der Hoffnung, das Fett entfernen zu können. Ich dachte: ,Du hast die Schaufel gut eingefettet, und jetzt willst du sie zerbrechen.' Und ich weiß nicht, warum, ich hatte Lust zu lachen. Ich trocknete mir die Hände an einem alten zerfetzten Hemd, das ich an einen Nagel gehängt hatte und das mir als Handtuch diente. Dann ging ich zum Tisch zurück, brannte mir eine Zigarette an und stellte mich ans Fenster . Die Sonne schien auf die Schieferdächer. Ich tat einen Zug aus der Zigarette, stieß den Rauch zum Teil wieder aus und atmete gierig den Duft ein. Ich reckte mich, stellte mich fest auf die Beine, auf einmal fühlte ich sie fest und kräftig unter mir, und plötzlich sah ich mich in einem Film: Ich stand am Fenster, ich rauchte, ich blickte auf die Dächer. Wenn dann die Zigarette aufgeraucht sein würde, würde ich die Pistole nehmen, sie an die Schläfe setzen, und alles würde vorbei sein. Da klopfte es zweimal an meine Tür, ich blickte auf

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