Der Tod ist mein Beruf
Stimme: "Ein Freikorpsmann hat das Recht, die Uniform von Heinrich zu tragen."
Freddie reichte ihm eine gefaltete Karte. Er öffnete sie, warf einen Blick hinein, schloß sie und übergab sie mir. "Augenblicklich hast du Befehl, bei deiner Firma zu bleiben."
Ich bemerkte voller Glück, daß er "du"
zu mir sagte. "Gib Otto deine Adresse. Er wird dir die Uniform von Heinrich bringen."
Der Obersturmführer machte kehrt, dann besann er sich und drehte sich noch einmal mir zu. "Ein Freikorpsmann hat sicher eine Waffe?"
"Eine Mauserpistole."
"Wo hast du sie versteckt?"
"In meinem Strohsack."
Er hob seine mächtigen Schultern. "Kindlich."
Er drehte seinen Oberkörper der Gruppe der jungen Leute zu, blinzelte und sagte: "Strohsäcke stellen für die Schupos kein Versteck dar."
Die jungen Leute fingen an zu lachen, er stand unbewegt da. Als das Gelächter aufhörte, fuhr er fort: "Otto wird dir zeigen, wie man sie versteckt."
Freddie berührte mich am Arm. "Zu Otto kannst du Vertrauen haben. Seinen Revolver hat er so gut versteckt, daß er ihn selber nicht mehr finden kann."
Die jungen Leute fingen wieder an zu lachen, und diesmal stimmte der Obersturmführer ein. Dann packte er mit seiner mächtigen Tatze Freddie im Genick und drückte ihn mehrere Male nach vorn, wozu er auf französisch sagte: "Petite canaille! Petite canaille!"
Freddie begann sich zu winden, um sich loszumachen, aber ohne sich sehr anzustrengen. "Petite canaille! Petite canaille!"
sagte der Obersturmführer, und sein Gesicht lief rot an. Schließlich schleuderte er Freddie mit einem einzigen Stoß in die Arme Ottos, der infolge des Anpralls beinahe gefallen wäre. Die jungen Leute brachen in lautes Gelächter aus. "Achtung!"
rief der Obersturmführer. Und alle standen unbeweglich. Der Obersturmführer legte seine Hand auf meine Schulter, sein Gesicht wurde ernst, und er sagte: "SA- Anwärter!"
Er machte eine Pause, und ich stand stramm. "Der Führer erwartet von dir unbegrenzte Hingabe."
Ich sagte: "Jawohl, Herr Obersturmführer."
Der Obersturmführer ließ mich los, trat einen Schritt zurück, stand stramm, hob den rechten Arm und rief mit lauter Stimme: "Heil Hitler!"
Die jungen Leute erstarrten mit erhobenem Arm. Dann riefen sie unisono mit rauher und lauter Stimme, wobei sie die Silben dehnten: "Heil Hitler!"
Ihre Stimmen klangen in meiner Brust mächtig wider. Ich empfand ein tiefes Gefühl des Friedens. Ich hatte meinen Weg gefunden. Er lag gerade und klar vor mir. Die Pflicht wartete auf mich in jedem Augenblick meines Lebens.
Wochen vergingen, Monate, und trotz der schweren Arbeit an der Betonmaschine, des Sturzes der Mark und des Hungers war ich glücklich. Abends, sobald ich die Baustelle verlassen hatte, beeilte ich mich, meine Uniform anzuziehen, ich ging in die Geschäftsstelle des Sturms, und mein wahres Leben begann. Unaufhörlich gab es Kämpfe mit den Kommunisten. Wir sprengten ihre Versammlungen und sie die unsern. Wir stürmten ihre Lokale, und sie griffen uns ihrerseits an. Es vergingen kaum ein paar Wochen ohne Schlägereien. Obwohl wir grundsätzlich beiderseits ohne Waffen waren, kam es nicht selten vor, daß man im Verlauf des Handgemenges einen Revolver knallen hörte. Heinrich, dessen Uniform ich trug, war durch einen Schuß mitten ins Herz getötet worden, und ich hatte meinem Braunhemd die beiden Löcher stopfen müssen, welche die Kugel gerissen hatte. Der 11. Januar war für die Kämpfer der Partei ein entscheidendes Datum. Die Regierung des Präsidenten Poincaré ließ die Ruhr besetzen. Sie schickte "eine einfache Abordnung von Ingenieuren"
hin eine Abordnung, die von sechzigtausend Soldaten begleitet war, aber deren Ziele, nach einem Ausdruck, der unter uns sehr beliebt wurde, "rein friedliche"
waren. In ganz Deutschland flammte die Entrüstung auf gleich einer Fackel. Der Führer hatte immer behauptet, daß den Alliierten das Diktat von Versailles nicht genüge und daß sie früher oder später Deutschland den Gnadenstoß versetzen wollten. Dieses Ereignis gab ihm recht, die Anhängerschaft der Partei vervielfachte sich, sie erreichte nach einem Monat eine noch nicht dagewesene Ziffer, und die wirtschaftliche Katastrophe, die dann über unser unglückliches Land hereinbrach, beschleunigte nur noch den wunderbaren Aufschwung der Bewegung. Der Obersturmführer sagte öfter lächelnd, in Anbetracht der Lage der Dinge müßte die Partei dem Präsidenten Poincaré ein Standbild errichten. Bald erfuhren
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