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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Augen blickten ernst und wachsam. Ich sagte: "Ja", und sah auf die Straße hinab. Unten auf dem Gehsteig schritt ein schmächtiger junger Mann im Braunhemd auf und ab. Durch sein Gesicht zog sich eine Narbe. Ich hatte ihn bei meinem Eintreten nicht bemerkt. Auf der gegenüberliegenden Seite standen zwei junge Leute vor einem Schaufenster. Von Zeit zu Zeit drehten sie sich um und warfen ihrem Kameraden gegenüber einen Blick zu. Nach einer Weile zog sich mir der Magen zusammen, und ich fühlte Leere im Kopf. Ich dachte, es wäre besser zu sitzen, und machte kehrt. Sofort war wieder die Spannung in der Luft. Ich blickte die jungen Männer der Reihe nach an. Keiner hatte die Augen auf mich gerichtet. Ich hatte keine Zeit, mich zu setzen. Die kleine graue Tür im Hintergrund ging plötzlich auf, der junge Braunhaarige erschien, trat mit einer raschen, graziösen Bewegung zur Seite, und ein etwa vierzigjähriger Mann tauchte auf. Er war klein, untersetzt, Apoplektiker. Die jungen Leute knallten die Hacken zusammen und erhoben den rechten Arm. Der untersetzte Mann erhob den Arm seinerseits, ließ ihn wieder sinken, blieb unbeweglich auf der Schwelle stehen und musterte mich mit einem raschen, scharfen Blick, wie wenn er in seinem Gedächtnis nachforschte, ob er mich schon einmal gesehen hätte. Seine mächtige Brust schwellte das Braunhemd, er trug das Haar sehr kurz geschnitten, und seine Augen verschwanden unter geschwollenen Augenlidern. Er kam näher. Sein Schritt war schwer, fast stampfend. Als er zwei Meter vor mir war, lösten sich zwei junge Leute aus der Gruppe und stellten sich, ohne ein Wort zu sagen, neben mich. "Freddie?"
    sagte der untersetzte Mann. Der junge Braunhaarige knallte die Hacken zusammen. "Hier, Obersturmführer."
    "Das Formular."
    Freddie gab ihm das Formular. Der Obersturmführer nahm es in seine riesige Faust und legte den Zeigefinger der anderen Hand darauf. "Lang?"
    Ich stand stramm und sagte: "Jawohl', Herr Obersturmführer."
    Sein kurzer, dicker, an der Spitze klobiger Finger lief über die Zeilen des Formulars. Dann hob er den Kopf und sah mich an. Die Schwellungen an seinen Augen ließen nur eine dünne Spalte frei. Er sah träge und schläfrig aus. "Wo arbeiten Sie?"
    "Bei der Firma Lingenfelser."
    "Ist einer Ihrer Kameraden dort in der Partei?"
    "Einer, glaube ich."
    "Sie wissen es aber nicht sicher?"
    "Nein, aber er liest den ,Völkischen Beobachter."
    "Wie heißt er?"
    "Siebert."

    Der Obersturmführer wandte sich zu Freddie um. Er drehte dabei nicht den Hals, sondern den ganzen Oberkörper, als sei sein Hals an den Schultern angeschweißt. "Stell es fest!"
    Freddie setzte sich an einen Tisch und sah in einer Kartei nach. Der Obersturmführer legte wieder seinen dicken Zeigefinger auf das Formular . "Türkei?"
    "Jawohl, Herr Obersturmführer."
    .."Mit wem?"
    "Herrn Rittmeister Günther."

    Freddie erhob sich. "Siebert ist Mitglied."
    Der dicke Zeigefinger übersprang mehrere Zeilen. "Aha! Freikorps!"
    Und mit einem Mal sah er nicht mehr schläfrig aus. "Bei wem?"
    "Oberleutnant Roßbach."
    Der Obersturmführer lächelte, seine Augen blitzten durch die Spalten hindurch, und er steckte genießerisch die Zungenspitze hervor. "Im Baltikum, an der Ruhr, in Oberschlesien?"
    "Auf allen drei Schauplätzen."
    "Gut!"
    Er klopfte mir auf die Schulter. Die beiden jungen Leute, die mich flankierten, entfernten sich und setzten sich wieder. Der Obersturmführer drehte seinen Körper zu Freddie um. "Schreib seinen vorläufigen Ausweis aus."
    Seine Augenspalten verengten sich. Er sah wieder schläfrig aus. "Sie sind zuerst SA-Anwärter; dann, wenn wir es für zweckmäßig halten, leisten Sie den Eid auf den Führer und werden in die SA aufgenommen. Haben Sie Geld, sich eine Uniform zu kaufen?"
    "Leider nein."
    "Warum nicht?"
    "Vor einer Woche war ich noch arbeitslos."
    Der Obersturmführer drehte seinen Körper nach dem Fenster hin. "Otto!"
    Der junge Rothaarige drehte sich um seine Achse, eilte leicht hinkend herbei und schlug die Hacken zusammen. Sein hageres, mit Sommersprossen übersätes Gesicht war zu einem Lächeln verzogen. "Du gibst ihm die Uniform von Heinrich."
    Ono hörte auf zu lächeln, sein Gesicht wurde ernst und traurig, und er sagte: "Die Uniform von Heinrich wird ihm zu groß sein."
    Der Obersturmführer zuckte die Achseln. "Er kann sie kleiner machen."
    Im Zimmer entstand ein Schweigen. Der Obersturmführer ließ seinen Blick über die jungen Leute schweifen und sagte mit lauter

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