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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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wir, daß der französische Eindringling an der Ruhr auf einen viel weniger passiven Widerstand traf, als ihn der Reichskanzler Cuno proklamiert hatte. Die Sabotage an Güterzügen, welche die deutsche Kohle nach Frankreich verschleppten, wurde in ungeheurem Maßstab organisiert, Brücken wurden gesprengt, Lokomotiven sprangen aus den Schienen, Weichenanlagen wurden zerstört. Im Vergleich zu diesen Heldentaten und den Gefahren, mit denen sie verbunden waren, verloren unsere fast täglichen Kämpfe mit den Kommunisten ihren Glanz. Wir wußten, daß die Partei, neben anderen patriotischen Gruppen, am deutschen Widerstand an der Ruhr beteiligt war, und wir drei -Siebert, Otto und ich -baten gleich in den ersten Tagen um einen Geheimauftrag in der französischen Besatzungszone. Die Antwort kam in Form eines Befehls. Wir wären in M. nützlich und müßten in M. bleiben. Wiederum hatte ich, wie in W. beim Freikorps, das Gefühl, in einer friedlichen Garnison zu verschimmeln, während andere für mich kämpften. Meine Ungeduld wuchs noch, als ich erfuhr, daß viele der Kameraden und Führer der Freikorps sich in der Widerstandsbewegung auszeichneten, namentlich der Leutnant Albert Leo Schlageter. Der Name Schlageter hatte für einen ehemaligen Angehörigen der Freikorps Zauberkraft. Er war der Held von Riga. Seine Kühnheit kannte keine Grenzen, er hatte überall gekämpft, wo man nur kämpfen konnte. In Oberschlesien war er dreimal von polnischen Gruppen eingeschlossen gewesen, und dreimal war es ihm gelungen zu entkommen. Wir erfuhren, daß er es an der Ruhr verschmähte, sich an den Weichenanlagen zu vergreifen, weil er das für zu leicht hielt, und lieber vor der Nase der französischen Wachen die Eisenbahnbrücken zerstörte. Er handele so, sagte er mit Humor, in "rein friedlicher"
    Absicht. Am 23. Mai versetzte uns eine furchtbare Nachricht in Bestürzung. Nach der Zerstörung einer Brücke an der Linie von Duisburg nach Düsseldorf hatten die Franzosen Schlageter verhaftet und erschossen. Einige Tage später teilte mir eine patriotische Gruppe, die mit der Partei zusammenarbeitete und aus ehemaligen Roßbach-Leuten bestand, mit, daß Schlageter von einem gewissen Walter Kadow, einem Schullehrer, den Franzosen denunziert, und daß ich mit zweien meiner Kameraden dazu bestimmt worden sei, diesen hinzurichten. Die Hinrichtung fand in einem Wald bei P. statt. Wir schlugen Kadow mit Knüppeln tot und vergruben die Leiche. Doch sie wurde kurz darauf von der Polizei gefunden, wir wurden verhaftet, man machte uns den Prozeß, und ich wurde ebenso wie meine Kameraden zu zehn Jahren Haft verurteilt.
    Ich verbüßte meine Strafe im Gefängnis von D. Das Essen dort war schlecht, aber ich hatte Schlimmeres kennengelernt, als ich arbeitslos war, und mit den Paketen der Partei stillte ich annähernd meinen Hunger. Die Arbeit -die meist darin bestand, daß ich auf der Maschine Militär-Effekten nähen mußte -war sehr viel weniger schwer als alles, was ich bis dahin kennengelernt hatte. Ich verrichtete sie in der Zelle, und allein arbeiten zu können war für mich eine Erleichterung.
    Manchmal hörte ich während des Spaziergangs Mitgefangene sich leise über die Wärter beklagen, aber ich glaube, daß sie ihrerseits nicht das Nötige taten, denn meine Beziehungen waren immer ausgezeichnet. Dazu gehörte nicht viel Talent. Ich war höflich und willig, ich stellte keine Fragen, ich verlangte nichts und tat stets sofort alles, was man mir zu tun befahl. In dem Formular, das ich bei der Einlieferung ins Gefängnis hatte ausfüllen müssen, hatte ich angegeben, ich sei konfessionslos, aber gottgläubig. Ich war also erstaunt, den Besuch des protestantischen Gefängnisgeistlichen zu erhalten. Er beklagte zuerst, daß ich alle Andachtsübungen aufgegeben hätte. Dann wollte er wissen, in welcher Lehre ich erzogen worden sei, und schien recht befriedigt, zu erfahren, daß es die katholische gewesen war. Danach fragte er mich, ob ich die Bibel lesen wollte. Ich antwortete bejahend, er gab mir eine und ging fort. Einen Monat später drehte sich der Schlüssel im Schloß, und der Pastor erschien. Selbstverständlich stand ich sofort auf, Er fragte mich, ob ich begonnen hätte, in der Bibel zu lesen, und ob ich die Lektüre interessant gefunden hätte. Ich antwortete mit Ja. Dann fragte er mich, ob ich mein Verbrechen bereute. Ich sagte ihm, daß ich es nicht zu bereuen hätte, denn dieser Kadow wäre ein Verräter gewesen, und wir hätten

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