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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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jetzt auf den armen Landstreicher."
    Er holte mir Stiefel, sah zu, wie ich sie anprobierte, und sagte langsam: "Freu dich nicht zu früh! Das ist ein Dreckloch. Und sag nicht ja, wenn du glaubst, daß du es nicht schaffen kannst."
    Ich bedankte mich, er bestimmte ein Pferd für mich, und ich ritt los. Vom Gestüt nach Marienthal waren es zehn Kilometer. Der Himmel war wolkenlos, aber obwohl erst September war, war die Luft außerordentlich frisch. Im Dorf ließ ich mir die Richtung zum Gut angeben und legte noch zwei oder drei Kilometer auf einem sehr schmutzigen Weg zurück, der halb von Heidekraut überwuchert war. Ich sah weder ein Haus noch ein Stück Feld. Alles war unbebaut und wüst. Der Weg hörte vor einer völlig verfaulten hölzernen Schranke auf, ich stieg vom Pferd und band es an einer Pappel an. Obgleich es seit acht Tagen nicht geregnet hatte, war der Boden weich und schwammig. Ich ging noch ein paar Schritte und entdeckte das Haus. Das Dach war teilweise durchgebrochen, weder eine Tür noch Fensterläden waren vorhanden, und zwischen den zerbrochenen Fliesen wuchs Gras. Ich machte einen Rundgang und kam in den Stall. Sein Dach hielt noch, aber eine der Wände war eingestürzt. Georg hatte mir einen Plan der zugehörigen Landstücke mitgegeben, und ich begann diese ohne Eile abzugehen. Der Wald war ein feuchtes und mageres Gebüsch. Außer Heizung und Jagd war nichts herauszuholen. Ich sah im Vorübergehen, was ein Acker sein sollte: armer, sandiger Boden. Dann war noch ein kleines Fichtenwäldchen da, und ich zählte mit Vergnügen etwa hundert ziemlich gute Stämme und ungefähr ebensoviel junge Bäume. Dahinter fingen die Wiesen an. Ich zählte im ganzen fünf, die durch Hecken oder Zäune getrennt waren. Drei von ihnen waren mit Binsen bewachsen. Die beiden anderen, unterhalb eines schlammigen Pfades gelegen, waren vollkommen naß. Es konnte keine Rede davon sein, sich daraufzuwagen, selbst nicht in meinen Stiefeln. Ich ging den Fußweg entlang; nach einer Viertelstunde Marsch kam ich an einen Teich und begriff, was geschehen war. Der Teich mußte durch einen Damm abgeschlossen gewesen sein, den dann ein Hochwasser zerstört hatte. Das Wasser hatte die beiden tiefer gelegenen Wiesen überschwemmt und war in die drei anderen eingesickert, nur viel langsamer, weil an dieser Stelle eine leichte Bodenwelle seinem Lauf Widerstand geleistet hatte. Ich zog mich aus und ging in den Teich hinein. Das Wasser war eisig, ich holte tief Atem und tauchte. Nach einiger Zeit fand ich den Damm, ich zog mich hinauf, das Wasser ging mir bis an die Knie. Mit dem Fuß tastend, stellte ich die Richtung des Dammes fest und ging langsam weiter. Das Wasser war dunkel und schlammig, und ich war immer darauf gefaßt, den Boden unter den Füßen zu verlieren, sobald ich an die Stelle kam, wo der Damm gebrochen war. Und in der Tat, ich war noch nicht bis zur Mitte des Teiches gelangt, als ich schwimmen mußte, bis ich drei oder vier Meter weiter den zweiten Abschnitt des Dammes wiederfand. Ich faßte darauf Fuß und erreichte das Ufer. Eine andere Lücke gab es nicht. Ich stieg aus dem Wasser und ging im Laufschritt um den Teich herum, um auf der anderen Seite wieder zu meinen Kleidern zu kommen. Mir klapperten die Zähne, und ich sank mehrmals bis zu den Knöcheln in den Schlamm ein. Aber beim Laufen trocknete mich der Wind, und ich war kaum noch feucht, als ich mich wieder ankleidete.

    Ich setzte mich dem Teich gegenüber auf einen großen Stein, die Sonne sank schon, ich fröstelte und fühlte Müdigkeit und Hunger. Ich zog mein Brot aus der Tasche und fing an, es langsam zu verzehren, während ich auf den Teich hinblickte. Er war von einer Menge Binsen umgeben, und dahinter stieg im Westen eine große schwarze Wolke auf und verhüllte die Sonne. Mit einemmal brach die Dunkelheit herein, ein faulig-feuchter Geruch stieg vom Boden auf, und alles war von einer furchtbaren Traurigkeit erfüllt. Dann drang ein Sonnenstrahl durch die Wolke, streifte das dunkle Wasser, und brauner Nebel fing an, sich in den Vertiefungen der Wiesen zu sammeln. Der Stein, auf dem ich saß, steckte zur Hälfte im Schlamm, alles um mich herum war kalt und klebrig, und ich hatte die Empfindung, in einem Meer von Schlamm verloren zu sein. Als ich auf das Gut zurückkam, nahm Georg mein Pferd beim Zügel und sagte: "Der Alte wartet auf dich in seinem Büro. Geh schnell hin!"
    Dann sah er mich an und sagte leise: "Na, was hältst du davon? Dort im

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