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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Wagen zurück, und eine Funkengarbe sprühte auf. Dann schloß ich das Fenster wieder und betrachtete von neuem die Felder . Neben den Feldern sah ich auch Wiesen in recht gutem Zustand, aber ich sah keine Pferde. Nach einer Weile dachte ich an die Partei und fühlte mich glücklich.

1929

    Die Partei beschloß, mich eine Zeitlang "aufs Land" zu schicken, und fand für mich eine Stellung im Gestüt des Obersten Baron von Jeseritz, der ein großes Gut in W., in Pommern, besaß. Meine neue Arbeit entzückte mich. Die Tiere waren schön und gut gepflegt, die Stallungen sehr modern, und der Baron von Jeseritz man nannte ihn stets "Herr Oberst", obwohl er nicht mehr im Dienst war- übte eine eiserne Disziplin. Er war groß und hager, sein Gesicht gebräunt und von Runzeln durchzogen, ein übermäßig langes Kinn gab ihm selbst das Aussehen eines Pferdes. Die Stallknechte nannten ihn hinter seinem Rücken "Stahlschnauze", aber ich habe niemals erfahren können, ob wegen seines Kinns oder wegen seiner Augen. Diese hatten auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches. Sie waren blau, und mehr war darüber nicht zu sagen. Aber wenn Jeseritz sie unvermittelt fest auf einen richtete, hätte man meinen können, daß er an einem Schalter drehte. Ihr Glanz war unerträglich. Ich war schon drei Monate in seinen Diensten, er hatte noch kein einziges Mal das Wort an mich gerichtet, und ich glaubte, da ich durch seinen Vertrauensmann angestellt worden war, ich sei ihm völlig unbekannt, als ich eines Nachmittags, an dem ich allein auf einer Weide damit beschäftigt war die Einzäunung auszubessern, hinter mir den charakteristischen Trab seiner Stute erkannte; ich hörte ein Schnalzen, und plötzlich stand die Stute vor mir, hoch und feingliedrig; ihre Muskeln traten unter ihrem schönen schwarzen Fell sanft hervor. "Lang!"
    Ich richtete mich auf, und bei der jähen Bewegung, die ich machte, um strammzustehen, spitzte die Stute die Ohren. Jeseritz tätschelte sie und sagte, ohne mich anzusehen und als ob er mit sich selbst spräche: "Ich habe einen kleinen Hof in Marienthal. Er ist vollständig heruntergewirtschaftet“. Er schwieg, und ich wartete ab. "Ich hab' mir gedacht", fuhr er wie geistesabwesend fort, als ob er bloß laut dachte, "ich könnte vielleicht dort ein paar Pferde unterbringen, wenn der Boden sie ernähren kann."
    Er senkte die Spitze seiner Reitpeitsche, legte sie zwischen die Ohren der Stute und streichelte sie leicht. "Zur Zeit meines Vaters waren dort Pferde. Aber niemand hat dort aushatten wollen. ..Es ist ein Dreckloch. Überall Wasser. Die Baulichkeiten sind in einem traurigen Zustand. Der Boden auch. Man muß alles erneuern, den Boden wieder instand setzen. .."

    Er hob die Reitpeitsche wieder und richtete seine unerträglichen blauen Augen auf mich. "Verstanden?"
    "Jawohl, Herr Oberst."
    Nach einem Weilchen blickte er weg, und ich fühlte mich erleichtert. "Ich hab' an dich gedacht."
    Er kratzte sich mit der Spitze der Reitpeitsche hinter dem Ohr und sagte barsch: "Die Bedingungen sind die folgenden. Zunächst stelle ich dir zwei Mann, und du versuchst, alles, alles zu erneuern. Du erhältst denselben Lohn wie jetzt. Wenn es dir gelingt, ziehst du hin, und ich stelle ein paar Pferde ein. Gleichzeitig gebe ich dir eine Zuchtsau, ein paar Hühner und Saatgut. Es ist ein Stück Feld dabei. Alles, was du aus dem Feld, dem Schwein, dem Geflügel und zwei kleinen Waldstücken, die zu dem Gut gehören, herauswirtschaftest, gehört dir. Auch die Jagd gehört dir. Aber vergiß nicht, daß du von dem Augenblick an, an dem du einziehst, keinen Pfennig erhältst? Verstanden? Keinen Pfennig!"
    Er schwenkte seine Reitpeitsche, sein durchbohrender Blick fiel auf mich, und plötzlich schrie er wütend: "Nicht einen einzigen Pfennig!"
    Ich sagte: "Ja, Herr Oberst."
    Es entstand ein Schweigen, und dann fuhr er mit ruhiger Stimme fort: "Sag nicht ja. Nimm ein Pferd und sieh dir's an! Wenn du es gesehen hast, kannst du ja sagen."
    "Jetzt gleich, Herr Oberst?"
    "Jetzt gleich. Und sag Georg, er soll dir Stiefel geben. Du wirst sie brauchen."
    Er wendete sein Pferd und ritt davon. Ich kehrte in unsere Baracke zurück und sagte Georg, daß mich Jeseritz nach Marienthal schicke. Georg sah mich an, kniff die Augen zusammen und schüttelte ein paarmal den Kopf. Dann sagte er mit geheimnisvoller Miene: "Du also!"
    Er lächelte, seine Zahnlücken wurden sichtbar, und er sah sofort viel älter aus. "Ach, ist der Alte schlau! Er spekuliert

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