Der Tod ist mein Beruf
mir nicht."
Ich hob die Augen. In ihrem Gesicht war nichts zu lesen, ich blickte von neuem ins Feuer und setzte beschämt hinzu: "Ich bin etwas klein."
Sie erwiderte lebhaft: "Darauf lege ich keinen Wert."
Sie fuhr fort: "Ich glaube, was Sie dort auf dem Pachthof geleistet haben, ist wirklich gut."
Eine Welle von Stolz durchflutete mich. Das war eine Deutsche, eine echte Deutsche. Sie war aufrichtig, standhaft und willig. Sie wartete darauf, daß ich etwas sagte, ehe sie wieder sprach. "Sind Sie sicher, daß ich Ihnen nicht mißfalle?"
"Nein", sagte sie mit deutlicher Stimme, "keineswegs, Sie mißfallen mir durchaus nicht."
Ich blickte ins Feuer, ich wußte nicht mehr, was ich sagen sollte. Und plötzlich dachte ich verwundert: ,Sie gehört mir, wenn ich will.' Ich konnte mir aber nicht klarwerden, ob es mich freute oder nicht. Das erste Jahr auf dem Gut war sehr schwer. Elsie hatte einen kleinen Geldbetrag erhalten, der aus der Erbschaft ihrer Tante stammte und ohne den wir uns nicht hätten einrichten können. Trotzdem war noch kein halbes Jahr vergangen, als ich das Fichtenwäldchen opfern mußte. Es war für uns ein schwerer Kummer, daß wir es so bald schon schlagen lassen mußten, denn mit ihm schwand unsere einzige Reserve dahin. Doch unsere große Sorge war nicht das Geld, sondern der Damm. Von ihm hing der Bestand des Pachtguts und damit unser beider ganzes Leben ab. Es war ein ständiger Kampf, ihn zu erhalten. Sobald es etwas länger regnete, sahen wir uns besorgt an, und wenn mitten in der Nacht ein heftiges Gewitter ausbrach, stand ich auf, zog die Stiefel an, nahm die Laterne und sah nach, was geschah. Manchmal kam ich gerade noch zur rechten Zeit, patschte zwei, drei Stunden im Wasser herum und versuchte, das Hochwasser mit behelfsmäßigen Mitteln aufzuhalten. Ein paarmal war ich allein nicht imstande, eine Lücke zu stopfen, die sich zu erweitern drohte, ich mußte auf den Hof zurückkehren und Elsie holen, die, obwohl sie damals schwanger war, ohne Klage aus dem Bett aufstand und mit mir bis zum Morgen arbeitete. Endlich brach der Tag an, der Regen hörte auf, aber wir hatten kaum die Kraft, uns durch den Schlamm nach Hause zu schleppen und Feuer zu machen, um uns zu trocknen. Im Frühjahr besuchte uns Herr von Jeseritz, er fand am Zustand des Hofes und der Pferde nichts auszusetzen, und nachdem er eingewilligt hatte, mit uns ein Glas Bier zu trinken, fragte er mich, ob ich dem "Bund der Artamanen"
beitreten wolle. Er erklärte mir, es sei eine politische Bewegung, die er sich sehr angelegen sein lasse und die sich die Erneuerung des deutschen Bauerntums zum Ziel setze. Ich hatte in der Tat schon von dem Bund sprechen hören, und sein Wahlspruch -Blut, Boden und Schwert -war mir als eine ausgezeichnete Zusammenfassung der Grundsätze erschienen, auf denen das Heil Deutschlands beruhte. Ich erwiderte indessen Jeseritz, daß ich nicht wüßte, ob ich als Mitglied der Nationalsozialistischen Partei zugleich dem Bund angehören könnte. Darauf fing er an zu lachen. Er kenne alle SA-Führer der Gegend und könne mir versichern, daß die Doppelzugehörigkeit von der Partei genehmigt wäre. Übrigens sei er selbst, was ich doch wüßte, auch Mitglied der Partei, aber er sehe nur Vorteile darin, unter dem Schutz des Bundes zu arbeiten statt unter dem nationalsozialistischen Aushängeschild, weil die Bauern einer Partei stets ein bißchen mißtrauten, während sie für die historischen Anknüpfungspunkte, die der Bund betonte, empfänglich seien. Daraufhin erklärte ich meinen Beitritt, und Jeseritz bat mich auch gleich, das Sekretariat der Bauernvereinigung des Dorfes zu Übernehmen, denn es wäre wichtig, daß dieser Posten von einem Mitglied des Bundes eingenommen würde. Ich glaubte, nicht ablehnen zu dürfen, denn er versicherte mir, er rechne sehr darauf, daß ich politisch auf die jungen Leute einwirke, bei denen meine Eigenschaft als ehemaliger Unteroffizier in einem Freikorps mehr ausrichten würde als alle Reden. Der Sommer kam, das Barometer stand fest auf Schönwetter, der Damm hörte auf mich zu quälen, und ich konnte meinen neuen Aufgaben mehr Zeit widmen. Es gab im Dorf eine kleine Gruppe von Gegnern, die mir anfangs eine harte Nuß zu knacken gaben; als ich aber eine Handvoll entschlossener junger Leute um mich versammelt hatte, wandte ich gegen sie die Angriffstaktik an, die die Partei ihrerseits von den Freikorps geerbt hatte, und nach einigen exemplarischen Schlägereien
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