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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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kann gleichzeitig nicht mehr als zwei oder drei Leichen durch die Türen hinausbringen. Und die Zahl der Männer, die in den Gräben sind, um die Leichen in Empfang zu nehmen, kann man auch nicht überschreiten. Sonst behindern sie sich gegenseitig. "Warum haben Sie Leute in den Gräben?"
    "Man muß die Körper sehr sorgfältig schichten, um Platz zu gewinnen. Wie Untersturmführer Pick sagt: Sie müssen wie Ölsardinen in der Büchse liegen."
    "Graben Sie die Gräben tiefer!"
    "Ich habe es versucht, Sturmbannführer, aber das Graben nimmt dann noch viel mehr Zeit in Anspruch, und der Platzgewinn steht in keinem Verhältnis zu der aufgewandten Zeit. Meiner Meinung nach ist die beste Tiefe drei Meter."
    Setzler wandte den Kopf etwas zur Seite und fuhr fort: "Noch ein Punkt. Die Gräben beanspruchen ein ungeheuer weites Gelände."
    Ich sagte schroff: "Wir sind nicht in Treblinka, an Gelände fehlt es uns hier nicht."
    "Nein, Sturmbannführer, aber ich sehe vor allem etwas anderes voraus. Indem Maße, wie wir neue Gräben ausheben, entfernen wir uns notwendigerweise von den Gaskammern, und der Transport der Leichen wird schließlich ein Problem werden und die Leistung noch mehr verlangsamen."
    Ein langes Schweigen folgte. Ich riß mich zusammen und sagte, die Silben sorgfältig betonend: "Haben Sie Vorschläge zu machen?"
    "Leider keine, Sturmbannführer."
    Ich sagte schnell und ohne ihn anzusehen: "Es ist gut, Setzler, Sie können so weitermachen."
    Meine Stimme hatte trotzdem gebebt. Er nahm seine Mütze, stand auf und sagte zögernd: "Natürlich, Sturmbannführer, werde ich weiter darüber nachdenken. Tatsächlich plage ich mich seit drei Tagen mit diesen verteufelten Gräben herum. Wenn ich zu Ihnen davon gesprochen habe, so darum, weil ich keine Lösung sehe."
    "Wir werden sie finden, Setzler. Es ist nicht Ihre Schuld."
    Ich überwand mich und setzte hinzu: "Ich freue mich, Ihnen sagen zu können, daß ich in allem Ihren Eifer zu würdigen weiß."
    Er grüßte, ich erwiderte seinen Gruß, und er ging. Ich setzte mich, schaute auf das Blatt, auf dem ich mir Notizen gemacht hatte, nahm den Kopf in beide Hände und versuchte sie zu lesen. Nach einer Weile war mir die Kehle wie zugeschnürt, ich stand auf und stellte mich ans Fenster. Der großartige Plan, den ich dem Reichsführer eingesandt hatte, war hinfällig. Das Problem war noch vorhanden. Ich hatte es nicht gelöst. Ich war an meiner Aufgabe vollständig gescheitert.

    Die folgenden zwei Tage waren fürchterlich. Der Sonntag kam heran, Hauptsturmführer Hagemann hatte mich zu einem musikalischen Tee eingeladen, ich mußte mich aus Höflichkeit hinbegeben, die Hälfte der Lageroffiziere war mit ihren Frauen da, aber glücklicherweise brauchte ich nicht viel zu reden. Frau Hagemann setzte sich sofort ans Klavier, und abgesehen von einer kurzen Zwischenpause, in der Erfrischungen gereicht wurden, spielten die Musiker Stück um Stück. Die Zeit verging, ich merkte, daß ich wirklich auf die Musik achtgab und sogar daran Vergnügen fand. Setzler spielte ein Violinsolo. Sein großer gekrümmter Körper beugte sich über den Notenständer, sein Kranz grauen Haars leuchtete unter der Lampe, und ich wußte stets im voraus, welche Stellen ihn besonders bewegten, weil sein kahler Schädel ein paar Sekunden vorher rot anlief. Nach dem Solo brachte Hagemann eine große Karte der russischen Front herbei und legte sie auf den Tisch, man versammelte sich darum und stellte das Radio an. Die Nachrichten waren großartig, die Panzer rückten überall vor, Hagemann steckte unaufhörlich auf der Karte die kleinen Hakenkreuzfähnchen weiter, und als der Heeresbericht zu Ende war, entstand ein andächtiges und freudiges Schweigen. Ich schickte meinen Wagen zurück und legte den Weg mit Elsie zu Fuß zurück. Im Ort brannte kein einziges Licht, die beiden spitzen Türme der Auschwitzer Kirche standen schwarz gegen den Himmel, und ich empfand aufs neue Niedergeschlagenheit ob meines Versagens. Am nächsten Tage rief Berlin an, um mir den Besuch des Obersturmbannführers Wulfslang anzukündigen. Er kam gegen Mittag an, lehnte wiederum die Einladung zum Essen ab und blieb nur einige Minuten. Es war offensichtlich, daß er es darauf anlegte, sich hinter seiner Rolle als Kurier zu verschanzen. Als Wulfslang weg war, verschloß ich die Tür meines Büros, drehte den Schlüssel zweimal herum, setzte mich und öffnete mit zitternder Hand den Brief des Reichsführers. Er war in so vorsichtigen

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