Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
die Haustür aufgetan, eine ebenfalls mit einem Morgenrock bekleidete Frau ohne Lockenwickler hatte sich ihre Flasche Milch gegriffen, und die beiden hatten sich einen Morgengruß zugenickt.
    »Sind Sie ganz sicher?« fragte Lewis noch einmal nach. »Es war ja noch ziemlich dunkel.«
    »Wir haben schließlich Straßenbeleuchtung, Sergeant.«
    »Sie wissen es also genau …«
    »Es sei denn, sie hat – hatte – eine Zwillingsschwester.«
    »Was die Zeit angeht … die ist nämlich sehr wichtig …«
    »Ich hatte mir gerade die Kurznachrichten auf BBC 1 angesehen, die seh ich immer gern, und danach hab ich den Kasten wieder ausgemacht. Möglich, daß ich noch den Kessel nachgefüllt habe … aber es war wirklich erst kurz nach sieben. Allerhöchstens fünf nach.«
    Demnach kam für den Mord eine Zeitspanne von nicht mehr als einer halben Stunde in Frage, nämlich zwischen 7.05 Uhr, als Mrs. Jacobs ihre Nachbarin gegenüber gesehen hatte, und 7.35 Uhr, als Mrs. Norris das Loch in der Scheibe bemerkt hatte. So präzise Festlegungen waren in diesem frühen Stadium ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich. Und das bedeutete, daß die Polizei in diesem Fall nicht unbedingt auf die Pathologen mit ihren Winkelzügen (wie Morse es auszudrücken pflegte) angewiesen war …
     
    »Etwa Viertel nach sieben«, sagte der in Winkelzügen geübte Lewis.
    »Sind Sie sich da ganz sicher?« Lewis glaubte, ein Echo seiner eigenen Frage zu hören.
    »Was ist schon sicher? Nächste Frage.«
    »Warum hat niemand den Schuß gehört?« Wieder die junge rothaarige Reporterin.
    »Vielleicht ein Schalldämpfer?«
    »Man hätte aber doch das Klirren von Glas hören müssen.« (Ein logisch denkender Mensch vom Oxford Star .)
    Die Fernsehleute signalisierten Lewis mit Hand- und stummen Lippenbewegungen, er möge direkt in die Kamera sehen.
    Lewis nickte. »Ja. Mehrere Nachbarn meinen tatsächlich, etwas gehört zu haben, zwei sind sich sogar sicher, aber das kann schließlich alles mögliche gewesen sein.«
    »Zum Beispiel?« (Wieder die penetrante Rothaarige.)
    Lewis zuckte die Achseln. »Der Milchmann, der eine Flasche hat fallen lassen …«
    »Aber es waren keine Scherben auf der Straße, Sergeant.«
    »Die Fehlzündung eines Autos? Wir wissen es nicht.«
    »Haben die Nachbarn dieses Geräusch zur fraglichen Zeit gehört?« (Der Fernsehreporter mit seinem walzenförmigen, flauschig ummantelten Mikrofon.)
    »Mehr oder weniger.«
    Der Chefreporter der Oxford Mail hatte sich bisher zurückgehalten. Jetzt aber stellte er eine merkwürdige Frage. Wenn es denn eine Frage war:
    »Aber das waren doch wohl nicht die beiden unmittelbaren Nachbarn?«
    Lewis sah ihn interessiert an.
    »Warum fragen Sie das?«
    »Die Frau, die dort wohnt …« (er deutete auf Nummer 19) »… hat um die Zeit vermutlich noch geschlafen, außerdem ist sie ohne Hörhilfe stocktaub.«
    »Ach ja?«
    »Und der Mann, der dort wohnt …« (er deutete auf Nummer 15) »… war schon zur Arbeit gegangen.«
    Lewis runzelte die Stirn. »Und woher wissen Sie das alles, Sir?«
    »Weil ich in Nummer 15 wohne, Sergeant«, erwiderte Geoffrey Owens.

10
     
    Wo liebend Leib an Leib sich schmiegt, Wo froh man lauschet auf den Klang, Wenn knarrend sich das Lager biegt Und droben schallt der Sphären Sang.
    (VlSCOUNT MUMBLES, I797-l82l)
     
    Als Lewis von seinem Medientreff zurückkam, war Morse gerade dabei, den Tatort zu verlassen. Es ging auf Mittag, und er wußte, daß er mit einem Getränk vor sich besser würde denken können – oder daß er zumindest mit dem Denken würde anfangen können, wenn ein Getränk vor ihm stand.
    »Gibt’s hier irgendwo ein gutes Ale?«
    Lewis, der bester Laune war, weil er Presse und Fernsehen hinter sich hatte, erlaubte sich eine vorsichtige Warnung.
    »Nicht gut für die Leber, das viele Trinken.«
    Überraschenderweise reagierte Morse relativ gnädig.
    »Das mag stimmen, aber meine medizinischen Ratgeber meinen, daß es vielleicht auch nicht gut ist, wenn ich in meinem Alter noch den Alkohol aufgebe.«
    Lewis konnte er damit allerdings nicht beeindrucken. Der Sergeant hörte diesen Spruch nicht zum erstenmal.
    »Haben Sie sich gründlich umgesehen, Sir?«
    »Eigentlich nicht. Ich weiß, daß ich immer die wesentlichen Spuren entdecke, aber zuerst wollte ich Sie ranlassen. Meist finden Sie die unwichtigen Sachen, und oft sind das die, die letztlich den Ausschlag geben.«
    Lewis, der sich über diese Feststellung ganz unverhohlen freute, lenkte prompt ein.
    »Wir

Weitere Kostenlose Bücher