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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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wollen.«
    Morse war enttäuscht.
    Wenn nur Lewis da wäre, der sich so gut aufs Suchen und Wühlen verstand und bestimmt mit Wonne sämtliche Vitrinen durchgesehen hätte.
    Hilfe, Lewis!
    Aber Lewis war anderweitig beschäftigt. Und Morse mußte wohl oder übel ohne die Hilfe seines Sergeant fünfundzwanzig Minuten zwischen den Gasträumen pendeln, was seiner Stimmung wenig zuträglich war.
    Die passende Krawatte war einfach nicht aufzutreiben.
    »Haben Sie gefunden, was Sie suchten?« Sonya, die hübsche brünette Wirtin, war von ihren Einkäufen im Westgate Center zurück.
    »Leider nein«, gestand Morse. »Ich komme mir vor wie ein Bauer, der auf einem umgepflügten Feld eine Kontaktlinse sucht.«
    »Suchen Sie die da?«
    Sonya Lowbridge deutete auf das Foto, das noch auf dem Tisch lag.
    Morse nickte.
    »Ja, wenn’s weiter nichts ist … Da kann ich Ihnen helfen.«
    »Wirklich?« sagte Morse mit großen Augen und trockenem Mund.
    »Als ich für Steve einen Schlips zum Geburtstag kaufen wollte, hab ich genau so einen auf dem Ständer bei Marks & Spencer gesehen.«

15
     
    Ein Sklave hat nur einen Meister; ehrgeizige Leute hingegen haben so viele Meister, wie es Menschen gibt, die ihnen bei der Verbesserung ihrer Position von Nutzen sein können.
    (La Bruyère, Characters )
     
    »Wie ist es ausgegangen?«
    Julian Storrs schloß die Haustür zu, hängte seinen triefenden Plastikregenmantel auf und legte die Arme um seine Frau.
    »Keine Kandidaten von außerhalb. Nur wir zwei.«
    »Das ist ja wunderbar!« Angela Storrs löste sich aus der kurzen, flüchtigen Umarmung und ging ins Wohnzimmer des aufwendig eingerichteten Hauses in der Polstead Road, einer Verbindungsstraße zwischen Woodstock Road und Aristotle Lane (letztere trug nach Morses Meinung den schönsten Straßennamen in ganz Oxford).
    »Nicht schlecht, wie? Wenn die Götter uns ein leises Lächeln gönnen …«
    »Möchtest du etwas trinken?«
    »Einen kleinen Brandy habe ich mir wohl verdient.«
    Sie schenkte ihm seinen Brandy und sich einen großen Dry Martini ein, zündete sich eine Zigarette an und setzte sich neben ihn auf das braune Ledersofa. Als sie mit ihm anstieß, leuchtete in ihren Augen vorweggenommener Triumph.
    »Auf Sir Julian!«
    »Nicht so hastig! Noch ist die Schlacht nicht gewonnen. Den alten Denis darf man nicht unterschätzen. Guter Mann am College. Hervorragender Wissenschaftler, erstklassiger Kopf …«
    »Und verheiratet mit einer zweitklassigen Nutte.«
    Storrs schüttelte den Kopf und lächelte leicht betreten.
    »Bist du da nicht ein bißchen hart, Schätzchen?«
    »Ich bin nicht dein Schätzchen. Du redest wie der Milchmann oder der Briefträger!«
    »Was hast du gegen Milchmänner und Briefträger?« Er legte ihr den linken Arm um die Schultern und zwang sich zu einem liebevollen Lächeln, während er die Frau musterte, die er vor über zwanzig Jahren als gertenschlankes Mädchen mit frischem, faltenlosem Gesicht geheiratet hatte.
    Sie war schneller gealtert als andere Frauen, fand er. Ein Netz von Krampfadern verunstaltete die langen, noch wohlgeformten Beine, und um die Taille der eleganten Hosenanzüge, die sie neuerdings fast ausschließlich trug, hatte sich ein kleiner Rettungsring angelagert. Der Hals war mager geworden, und um die Augen lag ein Kranz von Falten. Die Gesichtskonturen aber waren noch fest, und für viele Männer war sie heute noch ebenso attraktiv wie damals für Julian Storrs, als er sie unter so ungewöhnlichen Umständen kennengelernt hatte. Nur wenige waren immun gegen den einladenden Blick der mandelförmigen Augen, wenn sie nach einer Dinner-Party oder einem Cocktail-Empfang die dunkle Brille abnahm.
    Angela Storrs, die ihren Martini schnell ausgetrunken hatte, stand auf, um sich noch einen einzuschenken, und ihr Mann erhob keinen Einspruch. Ihm war es ganz recht, wenn sie – was mehr als nur gelegentlich vorkam – ihrem Verlangen nach Alkohol nachgab, denn dann legte sie sich meist ins Bett, schlief eine Runde und war, wenn sie aufwachte, viel besserer Laune.
    »Wie stehen deine Chancen, Liebling? Mal ehrlich!«
    »Hoffnung ist bekanntlich eine christliche Tugend.«
    »Herrgott noch mal! Was Besseres fällt dir dazu nicht ein?«
    Er schwieg einen Augenblick. »Es bedeutet dir wohl sehr viel, Angela …«
    »Dir doch auch«, gab sie zurück.
    »Ja«, sagte er leise. »Es bedeutet mir fast alles.«
    Angela stand auf und schenkte sich noch einen Martini ein.
    »Ich bin froh, daß du das gesagt

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