Der Tod ist mein Nachbar
Rückseite eines rosafarbenen Wettzettels.
»Okay«, sagte er schließlich. »Wenn Sie versprechen, daß Sie mich raushauen, wenn …«
»Versprechen kann ich gar nichts.«
»Aber Sie machen es?«
»Ja.«
»Also gut. Lassen Sie mich ein bißchen das Terrain erkunden, dann rufen Sie mich noch mal an, okay? Wann dachten Sie denn?«
»Weiß ich noch nicht genau …«
»Okay, das wär’s dann wohl.«
Morse leerte sein Glas. Im Aufstehen fragte er sich, wie die englische Sprache je ohne das Wort Okay ausgekommen war.
»Ach, ehe Sie gehen …« JJ sah auf sein leeres Glas herunter.
»Mineralwasser, nicht?« fragte Morse.
»Noch mal dasselbe. Der Wirt weiß Bescheid.«
JJ begann am Leben wieder Gefallen zu finden. Entspannt lehnte er sich zurück, als Morse gegangen war. Nur die eine Tür, so wie’s aussah. Kinderspiel.
Auch Morse war sehr zufrieden mit dem Verlauf des Vormittags. Johnson war bei der Polizei als einer der besten Fachleute für Schlösser in den Midlands bekannt. Als Teenager hatten sie ihn den fixesten Autodieb des County genannt. Aber erst in den achtziger Jahren hatte er die ganze Bandbreite seines Könnens erkennen lassen, und unzählige Haustürschlösser, Alarmanlagen und Einbruchssicherungen hatten vor seinem unvergleichlichen Wissen um Schlösser, Schlüssel und elektrische Stromkreise kapituliert.
JJ Johnson beherrschte die Kunst des Einbruchs fast so gut wie J. J. Bradley den konjunktivischen Aorist.
Vielleicht besser.
27
Was beim Einbrecher als verderblich gilt,
ist beim Finanzier lobenswert.
(George Bernard Shaw, Major Barbara )
Noch am gleichen Tag konnte Morse sein Vorhaben ausführen.
Lewis war mittags um zwei mit einer dünnen Mappe fotokopierter Unterlagen wieder im Präsidium erschienen, die Morse mit mäßigem Interesse entgegennahm, und hatte berichtet, daß Geoffrey Owens am Vorabend zu einer Wochenendtagung über Personalführung nach Bournemouth gefahren war und am nächsten Tag vermutlich erst spätabends zurückkommen würde. Jetzt zeigte sich Morse schon wesentlich interessierter.
»Gut gemacht, Lewis. Aber für heute haben Sie genug gearbeitet, Sie sehen müde aus. Gehen Sie nach Hause. Das Pensum, das Sie sich gesetzt haben, kann ja kein Mensch auf die Dauer durchhalten.«
Lewis fühlte sich zwar noch erstaunlich frisch, aber er hatte seiner Frau versprochen, ihr (wenn es sich dienstlich einrichten ließ) an diesem Wochenende beim Kauf einer Geschirrspülmaschine zur Seite zu stehen. Mittlerweile konnten sie sich diesen Luxus leisten, und Lewis war froh, daß seine Fron an der Spüle bald vorbei war.
»Einverstanden, Sir. Unter einer Bedingung: Sie gehen auch nach Hause.«
»Ich wollte sowieso gerade gehen. Die Unterlagen nehme ich mit. Was Interessantes dabei?«
»Ein paar Kleinigkeiten. Zum Beispiel …«
»Nicht jetzt.«
»Wollen Sie mir nicht erzählen, wie Ihr Treffen verlaufen ist?«
»Nicht jetzt.«
Im Hinausgehen fragte Morse noch beiläufig:
»Haben Sie auch rausgekriegt, in welcher Luxusherberge in Bournemouth diese Tagung stattfindet?«
In seiner Wohnung führte Morse zwei Telefongespräche. Die erste Verbindung ging nach Bournemouth, die zweite in die Sozialsiedlung Cutteslowe. Ja, ein Mr. Geoffrey Owens befand sich derzeit dort zu einer Tagung. Nein, Mr. Malcolm Johnson hatte noch keine Zeit zur Erkundung gehabt, würde sich aber (JJ selbst formulierte es bedeutend weniger gewunden) im Hinblick auf diese beispiellos günstige Gelegenheit unverzüglich darum kümmern.
»Und heute keinen Tropfen mehr, Malcolm!«
»Ich trinke nie bei der Arbeit. Und Sie lassen das auch besser sein.«
»Genau. Dieser Job verlangt nach einem klaren Kopf«, bestätigte Morse.
»Wann holen Sie mich ab?«
»Umgekehrt wird ein Schuh draus. Sie holen mich ab. Halb acht bei mir.«
»Okay. Und denken Sie dran, daß Sie mehr zu verlieren haben als ich, Mr. Morse.«
Morse wußte das sehr wohl, und bei dem Gedanken an die riskante Exkursion, die vor ihm lag, meldete sich ein Gefühl der Beklommenheit. Er brauchte dringend etwas zur Beruhigung seiner Nerven.
Nach einem großzügigen Schluck Glenfiddich schlief er über zwei Stunden selig in seinem Sessel.
Johnson stellte seinen rostigen alten Vauxhall in einer günstig gelegenen Parkbucht in der Deddington Road ab, die hinter den Häusern mit den ungeraden Nummern des Bloxham Drive verläuft. Morse blieb weisungsgemäß im Schatten der Böschung zurück, während Johnson sich da,
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