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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Cherwell .
    Als Morse um halb neun angerufen hatte, saß Malcolm JJ Johnson nur einen halben Meter vom Fernsehschirm entfernt auf einem schwarzen Kissen, guckte einen Hardcore-Porno und nahm sein übliches Frühstück – zwei Dosen Beamish Stout – zu sich, während die Dame des Hauses schon auf dem Weg zu ihrem Halbtagsjob bei einem Gemüsegeschäft in Summertown war.
    In dieser aufgeklärten Zeit ist es Sitte, daß die meisten Einbrecher, die etwas auf sich halten, ihrem Handwerk tagsüber nachgehen. JJ aber war ein überzeugter Nachtarbeiter, der sich ganz auf seine Ortskenntnisse und gewissenhafte Erkundungsarbeit verließ. Oft überlegte er, warum er seine Freizeit nicht mit irgendeiner sinnvolleren Beschäftigung zubrachte. Nur fiel ihm einfach keine ein, obwohl er sich, wie er bereitwillig zugab, hin und wieder ein bißchen langweilte. In den letzten ein, zwei Jahren hatte das Billardspiel viel von seinem Reiz verloren. Seitensprünge und Unzucht brachten, je älter er wurde, desto mehr praktische Probleme mit sich, und sogar Darts und Domino vermochten ihn kaum noch zu zerstreuen. Nur dem Kartenspiel – meist bei La d brokes ’ , in Summertown – war er in all den Jahren treu geblieben, denn wenn es eins gab, was ihn nie langweilte, war es der Gelderwerb.
    Dabei war JJ kein Geizhals. Es war einfach so, daß man Geld haben mußte, um es ausgeben zu können, und Geldausgeben war für ihn das Schönste im Leben.
    Die verlotterte Gesamtschule, der er seine fragwürdige Bildung verdankte, hatte ihm die in vielen Privatschulen praktizierten drei S – Schläge, Schikanen, Sexueller Mißbrauch – erspart. Dafür hatte er, als er mit sechzehn abging, schon Gefallen an einer anderen Dreizahl gefunden: Spielen, Saufen, Sex – in dieser Reihenfolge. Und derart teure Hobbies ließen sich eben nur in einer Branche finanzieren, die sich mehr oder weniger ungeniert in fremden Häusern bedient.
    Zur Zeit wohnte er mit seiner leidgeprüften, getreuen, erstaunlich einflußreichen Lebensgefährtin in einem Haus in der Sozialsiedlung Cutteslowe, in dem sich Kisten mit Lager, Wodka und Gin, die neuesten Computerspiele und geschmacklose Souvenirs aus Badeorten stapelten. Und nach zwei Jahren Knast wollte er hier auch bleiben.
    Nein. JJ hatte nicht die mindeste Lust, wieder zu sitzen. Und deshalb hatte ihn Morses Anruf sehr beunruhigt. So sehr, daß er das Video just in dem Moment auf »Pause« gestellt hatte, als der lüsterne junge Stenz ins Bett hechtete.
    Was wollte Morse von ihm?
     
    »Hallo, Malcolm!«
    Johnson war bis zu seinem zehnten Lebensjahr »Malcolm« gewesen. Da hatte der widerspenstige, undisziplinierte Junge aus einer Flasche getrunken, die nach Limo aussah, aber den WC-Reiniger Jeyes Fluid enthielt. Nach zweimaliger Magenspülung und einer Woche Krankenhaus hatte man ihn wieder auf die Menschheit losgelassen, aber nun hatte er den Spitznamen »Jeyes« weg, den er fünf Jahre später dadurch zu entschärfen versuchte, daß er sich die Buchstaben JJ auf beide Unterarme tätowieren ließ.
    Morse leerte sein Glas und schob es über den Tisch.
    »War das Cola, Mr. Morse?«
    »Bißchen früh für was Stärkeres, Malcolm.«
    »Kleines Bier, ja?«
    »Noch mal dasselbe. Der Wirt weiß Bescheid.«
    Wenig später standen ein Brakspear und ein stilles Mineralwasser für JJ auf dem Tisch.
    »Ein oder zwei dieser hirnlosen Idioten, die Sie als Ihre Kumpels bezeichnen, scheinen es darauf angelegt zu haben, die Polizei zu nerven«, fing Morse an.
    »Also damit hab ich nichts zu tun, ehrlich. Sie kennen mich doch.« JJ paffte eine Kingsize-Zigarette und zog ein unglückliches Gesicht.
    »Na ja, Schwamm drüber. Ich möchte, daß Sie mir einen Gefallen tun.«
    JJ entspannte sich. Er beugte sich über den Tisch.
    »Ich hab da ein heißes Video auf meiner Bude. Wenn Sie – äh –«
    »Heute nicht«, sagte Morse zögernd. Manchmal muß man für den Beruf sogar beträchtliche Opfer bringen. Jetzt beugte auch er sich vertraulich vor.
    »Ich möchte, daß Sie einen Bruch für mich machen.«
    »Soso.«
    Das Gleichgewicht der Kräfte hatte sich verschoben. JJ entblößte in einem breiten Grinsen zwei Reihen unregelmäßiger, verfärbter Zähne. Er schob sein leeres Glas über den Tisch.
    »Doppelter Wodka und Zitrone für mich, Mr. Morse. Ziemlich trockene Luft hier.«
    JJ hörte aufmerksam zu, als Morse ihm den Auftrag erläuterte. Hin und wieder nickte er, einmal schrieb er mit einem Bleistiftstummel eine Adresse auf die

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