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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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nicht zugehört.«
    Morse fuhr wie im Selbstgespräch fort: »Mich würde interessieren, wann in der Polstead Road die Post kommt. Sie sagen, daß Storrs meist den Zug um 10.15 Uhr ab Oxford genommen hat … Demnach hat er gegen Viertel vor zehn oder vielleicht ein bißchen früher das Haus verlassen, er mußte ja zum Bahnhof, seinen Wagen abstellen, eine Fahrkarte – zwei Fahrkarten – kaufen … Wenn also der Briefträger etwa um diese Zeit kam … Vielleicht ist Storrs ihm begegnet, als er aus dem Haus ging, hat ihm die Post abgenommen und seine Briefe gelesen, während er auf Rachel wartete, und sie dann in die Jackentasche gesteckt.«
    »Und dann?«
    »Und dann … Was machen die meisten Paare nach dem Sex?«
    »Kommt drauf an«, erwiderte Lewis leicht verlegen. »Schlafen?«
    Morse lächelte unerwartet. »Weil die Anstrengung so groß war, meinen Sie?«
    »Wenn Sie’s mehr als einmal gemacht haben …«
    »An dem Tag bleibt sie wach, Lewis, stöbert in seinen Taschen und findet den Erpresserbrief. Haben Sie übrigens gefragt, wann er ihn bekommen hat?«
    »Nein, Sir.«
    »Dann holen Sie das gefälligst nach. Sie sieht den Brief und erkennt, daß sie nun ihrerseits Storrs unter Druck setzen kann. Nicht mit der Affäre – da stecken sie ja beide drin –, sondern mit irgendeiner anderen Sache, die sie durch den Brief erfahren hat … Ich vermute, daß unsere Ms. James für Mr. Storrs ein bißchen lästig geworden war. Was meinen Sie?« Ohne Lewis Zeit zu einer Meinungsäußerung zu lassen, fuhr er fort: »Wann sind die beiden zuletzt zusammen nach London gefahren?«
    »Das muß ich auch erst nachprüfen, Sir.«
    »Wird aber Zeit! Wir gehen im Augenblick davon aus, daß jemand Owens ermorden wollte und Rachel nur versehentlich umgebracht hat. Aber vielleicht irren wir uns ja, Lewis.«
    Morse wirkte erregt und erhitzt, als er sein Glas leerte und aufstand.
    »Ich rasiere mich nur noch schnell.«
    »Was haben Sie noch auf Ihrem Programm?«
    »Sie sehen, was passiert, wenn Sie anfangen, Unsinn zu reden. Sie sind unentbehrlich, alter Freund. Wirklich unentbehrlich!«
    Lewis, den der Chef Inspector mit seinen schroffen Anweisungen etwas gegen den Strich gebürstet hatte, war wieder versöhnt.
    »Ja, dann mach ich mich jetzt auf den Weg, Sir.«
    »Nein, warten Sie, ich bin gleich fertig. Sie können mich nach Summertown fahren.«
    ( Fast versöhnt.)
     
    »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was …«, fing Lewis an, als sie vor der Ampel an der South Parade standen.
    Doch der glattrasierte, brav angeschnallte Morse zuckte plötzlich zusammen.
    »Wie hieß doch gleich der andere Mann, Lewis? Der Gegenkandidat von Storrs …«
    »Cornford. Denis Cornford. Mit einer Amerikanerin verheiratet.«
    »›DC‹, Lewis! Die Abkürzungen in dem Aktenordner …« Lewis nickte. Er sah den Zettel ebenso deutlich vor sich wie Morse.
     
    AM √ DC √ JS √ CB
     
    »Da haben wir sie also – Denis Cornford und Julian Storrs«, fuhr Morse fort, »flankiert von Angela Martin – da bin ich sicher – und – könnte es sein? – Sir Clixby Bream.«
    »Sie glauben also, Owens hat etwas gegen alle vier …«
    »Stop«, kommandierte Morse. »Hier geht’s links rein.« Lewis bog in die Marston Ferry Road ein und blieb vor dem Summertown Health Centre stehen.
    »Drücken Sie mir die Daumen«, sagte Morse und stieg aus.

TEIL DREI
     

37
     
    Dienstag, 27. Februar
     
    Das Land Idd wäre ein vollkommen glückliches Land gewesen, hätte es da nicht ein kleines Problem gegeben. Dem König bereitete es schlaflose Nächte, und den Dorfbewohnern machte es große Angst. Bei diesem Problem handelte es sich um einen Drachen namens Diabetes. Er hauste in einer Höhle auf einem Berggipfel. Jeden Tag brüllte er laut. Er kam nie von seinem Berg herunter, aber alle lebten in der Angst, eines Tages könne das doch einmal geschehen.
    (Victoria Lee, The Dragon o f Idd )
     
    Im Wartezimmer hörte Morse, wie sein Name aufgerufen wurde.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte Dr. Paul Roblin, um den Morse in den letzten Jahren nach Möglichkeit einen großen Bogen gemacht und den er nur dann aufgesucht hatte, wenn ein absolut kritischer Punkt erreicht war.
    Wie jetzt.
    »Ich glaube, ich bin zuckerkrank.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich hab in einem Buch nachgeschlagen, da sind die Symptome angegeben.«
    »Nämlich?«
    »Gewichtsverlust, Müdigkeit, starker Durst …«
    »Den haben Sie ja schon eine ganze Weile, nicht?«
    Morse nickte bedrückt.

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