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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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war.
    »Für die eigene Gesundheit kann keiner garantieren«, hatte Blair bemerkt.
    »Nein, aber andererseits kann man garantiert krank sein, Sir.«
    »Wie Owens an eine Kopie dieses Briefes gekommen ist, wissen wir immer noch nicht?«
    »Nein. Ich war gestern noch mal in der Harvey Clinic, aber das hat nichts gebracht. Der Arzt, der den Brief geschrieben hat, ist bekanntlich tot, und seine Unterlagen sind … umverteilt worden.«
    »Totales Chaos, wie?«
    Lewis nickte. »Irgendwie muß Owens gespürt haben, daß er nicht mehr viel Zeit hat. Er hatte dreierlei, womit er Storrs unter Druck setzen konnte: Er wußte sehr viel über Angela Storrs’ Vergangenheit. Er wußte, daß er ein Verhältnis mit Rachel James hatte. Und er wußte, daß er den Kollegen im College – und wahrscheinlich nicht nur ihnen – seinen medizinischen Befund verheimlicht hatte.«
    Morse hätte bestimmt das verwirrend gehäufte Auftreten von Personalpronomen in der dritten Person Singular beanstandet, aber Blair hatte offenbar keine Mühe, dem Bericht zu folgen.
    »Auch seiner Frau?« fragte er.
    »Das würde mich nicht wundern.«
    »Morse hat mal zu mir gesagt, daß ein Doktor, der einem sagt, wann man sterben muß, ein verdammter Idiot ist.«
    Lewis grinste. »Das hat er mir bestimmt schon zehn-, zwölfmal gesagt.«
    »Es geht ihm besser, sagen Sie?«
    »Er kommt vielleicht schon am Wochenende raus.«
    »Und das freut Sie, was?«
    Lewis nickte, und Blair fuhr nachdenklich fort: »Ihr seid schon ein komisches Gespann! Er kann manchmal ganz schön gemein und undankbar sein.«
    »Ist er fast immer, Sir.« Lewis lächelte vor sich hin.
    »Er wird jetzt ein bißchen langsamer machen müssen.«
    »Würden Sie sich trauen, ihm das zu sagen?«
    »Nein.«
    »Nur noch eins, Sir, wegen Owens: Ich glaube, wir sollten ernsthaft damit rechnen, daß er gefährdet ist. Es muß etliche Leute geben, die nichts dagegen hätten, wenn er neben Rachel im Leichenschauhaus läge.«
    »Was schlagen Sie vor, Sergeant?«
    »Gute Frage. Einen Leibwächter können wir ihm kaum besorgen …«
    »Wir haben nur eine Möglichkeit, ihn ständig im Auge zu behalten.«
    »Ihn zu verhaften? Aber das können wir nicht. Noch nicht.«
    »Nein. Es hat keinen Zweck, ihn zu schnappen, wenn wir ihn doch wieder laufenlassen müssen. Wir brauchen eine Anklage, die Hand und Fuß hat. Wäre es …« Blair zögerte. »Wäre es denkbar, daß er Rachel James auf dem Gewissen hat?«
    »Ich persönlich glaube das nicht.«
    »Und Morse?«
    »Zuerst hat er mit dem Gedanken gespielt, aber dann … Da fällt mir ein, daß ich vielleicht am besten morgen noch mal in die Redaktion fahre.«
    »Sie sollten nicht immer alles selber machen, Sergeant.«
    »Versprechen Sie, das dem Chief Inspector zu sagen?«
    »Nein.« Blair wandte sich zum Gehen, zögerte aber noch etwas, denn Lewis’ Bemerkung ging ihm nach.
    »Wie hoch schätzte Morse die Möglichkeit ein, daß jemand Owens umbringt?«
    »Er meinte, der könne auf sich selber aufpassen. Einen gossenschlauen Überlebenskünstler hat er ihn genannt.«
    »Na, hoffentlich liegt er da richtig.«
    »Manchmal tut er das, Sir.«

39
     
    In gesunden Tagen vergessen wir uns und unser Geschick; der hauptsächliche Nutzen einer vorübergehenden Erkrankung liegt darin, uns diese Anliegen in Erinnerung zu rufen.
    (Ralph Waldo Emerson, Journals )
     
    Schwester Janet McQueen, eine Frau um die Vierzig, unverheiratet, vollbusig und für die meisten Männer von großem, ihnen selbst nicht ganz erklärlichem Reiz, nahm lebhaften Anteil an dem Geschick ihres neuen Patienten, eines gewissen E. Morse. Offenkundig war der Mann ungeachtet seiner Zungenfertigkeit ein medizinischer Ignorant und überdies ein Mann, der an seinem Gesundheits- oder in seinem Fall eher Krankheitszustand merkwürdig uninteressiert schien.
    In den folgenden Tagen war sie mehrmals länger als nötig bei ihm gewesen. Sie hatte sich für die alle zwei Stunden (auch nachts) erforderlichen Kontrollen der Blutzuckerwerte entschuldigt; hatte ihm erklärt, was für eine wichtige Rolle die Bauchspeicheldrüse für den Stoffwechsel spielt; hatte ihn mit der ganzen Palette der ihm verschriebenen Gerätschaften und Medikamente, der Farbe der Pillen, ihrem Zweck und ihrer erhofften Wirkungsweise vertraut gemacht – von der Insulin-Einmalspritze über Human-Ultratard, Human-Actrapid, Unilet-Lanzetten und Exactech-Reagenzstreifen bis zu Enalapriltabletten, Frusemidtabletten, Nifedipinkapseln …
    Das meiste

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