Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
»Ich habe abgenommen, ich könnte den ganzen Tag schlafen und täglich fünf Liter Wasser trinken.«
    »Zusätzlich zu dem Bier?«
    Morse schwieg, während Roblin ihm eine Lanzette in den kleinen Finger der linken Hand stieß und die Haut zusammendrückte, bis ein kleiner Blutstropfen austrat, den er auf einen Teststreifen gab. Nach dreißig Sekunden sah er auf die Skala, dann blieb er einen Augenblick wortlos sitzen. »Wie sind Sie hergekommen, Mr. Morse?« fragte er schließlich.
    »Mit dem Wagen.«
    »Mit dem eigenen Wagen?«
    »Nein, ich bin mitgenommen worden. Warum?«
    »Ich könnte Sie jetzt nicht mehr selbst fahren lassen.«
    »Warum nicht?«
    »Ihr Zustand ist ernst. Die Blutzuckerwerte sind total überhöht. Wir müssen Sie so schnell wie möglich ins Radcliffe Infirmary schaffen.«
    »Was sagen Sie da?«
    »Sie hätten schon längst zu mir kommen müssen. Ihre Bauchspeicheldrüse spielt verrückt. Wahrscheinlich brauchen Sie von jetzt ab drei oder vier Insulinspritzen pro Tag. Wie weit Sie Ihren Augen und Ihren Nieren schon bleibenden Schaden zugefügt haben, wird sich noch herausstellen. Jetzt müssen Sie erst mal ins Krankenhaus, und zwar so schnell wie möglich.«
    Er griff zum Telefon.
    »Ich wohne doch hier gleich um die Ecke«, protestierte Morse.
    Roblin legte die Hand über den Hörer. »Einen Schlafanzug und eine Zahnbürste kriegen Sie da schon, keine Sorge.«
    »Ihnen ist wahrscheinlich nicht klar …«, setzte Morse an.
    »Hallo? Hallo! Bitte einen Krankenwagen für das Summertown Health Centre – es eilt. Zum Radcliffe Infirmary. Danke.«
    »Ihnen ist wahrscheinlich nicht klar, daß ich mit einer Mordermittlung befaßt bin.«
    Aber Roblin hatte schon die nächste Nummer gewählt und sagte:
    »David? Schön, daß ich Sie erwische. Haben Sie ein Bett frei? Ja, ein Notfall. Vermutlich braucht er einen Insulintropf, aber das werden Sie ja dann sehen … Ja … – Mr. Morse, E. Morse, Chief Inspector bei der Thames Valley Police.«
     
    Eine halbe Stunde später, nachdem Gewicht (fast 82 kg), Blutdruck (alarmierend hoch), Blutzuckerwerte (noch immer total überhöht), Todesursache der Großeltern mütterlicher- und väterlicherseits (nur mühsam ins Gedächtnis zurückgerufen) fürs Krankenblatt aufgenommen waren, lag Morse in einem rotgestreiften Pyjama auf der Geoffrey Harris-Station im Radcliffe Infirmary nördlich der St. Giles’ am Ende der Woodstock Road. Ein Schlauch führte von dem Insulintropf am Bett zu seinem rechten Arm, wo eine mit Heftpflaster an seinem inneren Handgelenk befestigte Kanüle die Flüssigkeit in die Vene transportierte, so daß sein Körper jeden Versuch einer seitlichen Bewegung mit heftigen Schmerzen quittierte.
    Morse war in die melancholische Betrachtung dieses Schlauchs vertieft, als der Chefarzt vom Diabetes-Zentrum eintraf. Dr. David Matthews war ein hochgewachsener schlanker Mann mit asketisch-kantigen Zügen, der etwas Satanisches an sich hatte.
    »Ich bin, wie gesagt, mit einer Mordermittlung befaßt«, wiederholte Morse, während Matthews sich auf die Bettkante setzte.
    »Jetzt will ich Ihnen mal was sagen: Sie werden, sofern Sie sich nicht umbringen wollen, das alles jetzt gründlich vergessen. Wenn Sie Glück haben, sind Sie noch mal mit einem blauen Auge davongekommen. Allzusehr haben Sie sich offenbar noch nicht geschadet, aber es reicht. Sie müssen sich jeden Gedanken an Ihre Arbeit zunächst aus dem Kopf schlagen, wenn Sie mit einigermaßen heiler Haut davonkommen wollen. Sie wissen, was ich meine?«
    Morse wußte es nicht, aber er nickte hilflos.
    »Wenn Sie sich nach unseren Anweisungen richten, brauchen Sie nur vier oder fünf Tage hierzubleiben.«
    »Aber –«
    »Ohne Wenn und Aber! Dann könnten Sie am Samstag oder Sonntag wieder zu Hause sein.«
    »Aber es gibt so viel zu tun«, protestierte Morse geradezu verzweifelt.
    »Hat das nicht Cecil Rhodes gesagt?«
    »Ich glaube schon.«
    »Es waren seine letzten Worte, wenn ich mich recht erinnere.«
    Morse schwieg.
    »Für eine Diabetes«, fuhr der Arzt fort, »gibt es im wesentlichen drei Ursachen. Ich stelle es Ihnen mal stark vereinfacht dar, Sie sind schließlich kein Mediziner …«
    »Danke«, sagte Morse.
    »Erbfaktoren, Stress, Alkoholmißbrauch. Im ersten Fall bekämen Sie fünf, nein, sechs von zehn Punkten. Ihr Vater war zuckerkrank, wie ich sehe.«
    »Erst in ziemlich hohem Alter.«
    »Na, ganz taufrisch sind Sie ja auch nicht mehr …«
    »Zugegeben!«
    »Stress? Machen Sie sich

Weitere Kostenlose Bücher