Der Tod ist mein
hatte es sie etwas geekelt, als sie den Vorhang zurückgezogen hatten und ihnen der Gestank entgegengeschlagen war. Aber Ärzte waren unangenehme Gerüche gewohnt.
Außerdem hatten sie Masken vor den Gesichtern gehabt. Chirurgenmasken. Und die Hände hatten entweder in Handschuhen gesteckt oder sie hatten sie versiegelt. Zum Schutz, aus Gewohnheit und aus Vorsicht.
Sie hatten ein Antiseptikum benutzt. Weshalb die Sterilität? Sicher aus Routine, überlegte sie, denn es wäre egal gewesen, hätte der Patient sich mit irgendetwas infiziert.
Sie hatten Licht gebraucht. Etwas Stärkeres und Reineres als den zuckenden Schein der Kerzenstummel und der kleinen Taschenlampe, die sie auf einem der schief hängenden Regale in Snooks’ Behausung liegen sah.
Sicher hatten sie sie in der Arzttasche gehabt. Eine starke Minilampe. Ebenso wie Mikroskopbrillen, Laserskalpelle und anderes Werkzeug, das für ihre Arbeit nötig war.
War er, als sie kamen, wach geworden?, überlegte sie. War er, als das Licht aufblitzte, für einen Augenblick aus dem Dunkel des Schlafes aufgetaucht? Hatte er die Zeit gehabt, um nachzudenken, sich zu wundern oder sich zu fürchten, bevor die Spritze in sein Fleisch gedrungen und er betäubt gewesen war?
Dann hatten die Täter ihr Werk vollbracht. Sie hatte keine Ahnung, wie Ärzte operierten, ging aber davon aus, dass es tatsächlich nichts anderes als Routine für sie war. Alltägliche Routine.
Sie hatten schnell gearbeitet, jeder Handgriff hatte gesessen, sie hatten nicht dabei gesprochen.
Wie fühlte es sich an, wenn man das Herz eines Menschen in den Händen hielt?
War das ebenfalls Routine – oder schoss einem dabei ein Gefühl von Macht, Befriedigung und Größe durch den Kopf? Sie nahm an, dass es so war. Wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, war der Täter oder die Täterin sich vorgekommen wie ein Gott.
Ein Gott, der stolz genug war, Zeit und Talent zu investieren, um auch in einem Fall wie diesem eine gute Arbeit zu verrichten.
Genau das hatten sie zurückgelassen, dachte Eve. Die Aura von Arroganz, Kaltblütigkeit und Stolz.
Noch während sie dies überlegte, klingelte ihr Handy, sie legte die Papierblumen zur Seite und nahm es in die Hand.
»Dallas.«
Auf dem Minibildschirm erschien Feeneys trauriges Gesicht. »Ich habe einen ähnlichen Fall gefunden, Dallas. Du kommst besser auf die Wache und siehst dir die Sache an.«
6
» E rin Spindler«, begann Feeney und nickte zum Bildschirm in einem der kleineren Besprechungsräume des Reviers. »Gemischtrassig, weiblichen Geschlechts, achtundsiebzig Jahre, lizenzierte Gesellschafterin, die in den letzten Jahren, statt selbst noch anschaffen zu gehen, als Zuhälterin für eine kleine Gruppe Straßennutten die Hand aufgehalten hat. Wurde regelmäßig vor den Kadi zitiert, weil entweder die Lizenzen ihrer Pferdchen abgelaufen waren oder sie vergessen hatten, regelmäßig zur Gesundheitskontrolle zu gehen. Außerdem hat sie ein paarmal angeblich versucht, die Freier ihrer Mädchen übers Ohr zu hauen. Aber das konnte nicht bewiesen werden, weshalb sie deshalb nie verurteilt worden ist.«
Eve betrachtete das Bild. Ein kantiges, schmales Gesicht, teigig gelbe Haut, harte Augen und ein dünner, herabhängender Mund. »Wo hat sie gearbeitet?«
»In der Lower East Side. Angefangen jedoch hat sie in einer teuren Gegend. Sieht aus, als hätte sie vor fünfzig Jahren noch eine gewisse Klasse gehabt.« Feeney zuckte mit den Schultern. »Hatte eine Vorliebe für Jazz, und das Zeug ist nicht gerade billig, weshalb sie, bis sie vierzig war, von der Edelprostituierten zur Straßennutte abgestiegen ist.«
»Wann wurde sie ermordet?«
»Vor sechs Wochen. Eins der Mädchen hat sie in ihrer Bude in der Zwölfen gefunden.«
»Wurde ihr das Herz rausoperiert?«
»Nein. Die Nieren.« Feeney rief weitere Daten auf den Bildschirm auf. »In ihrem Gebäude gab es keine Überwachungskameras, weshalb wir keine Aufzeichnungen darüber haben, wer an dem Tag alles das Haus betreten oder verlassen hat. Dem Bericht des ermittelnden Beamten ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob sie ihren Mörder hereingelassen oder ob er sich gewaltsam Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft hat. Es gab keine Spuren eines Kampfes, eines sexuellen Übergriffs oder eines Raubes. Das Opfer wurde tot und ohne Nieren in seinem Bett gefunden. Der Autopsie zufolge war sie, als sie gefunden wurde, seit zwölf Stunden tot.«
»Wie steht es um die Akte?«
»Sie wurde nicht
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