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Der Tod ist mein

Der Tod ist mein

Titel: Der Tod ist mein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Robb
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im Dunkeln. Und wusste, er käme zurück. Denn er kam jedes Mal zurück. Und wenn er zurückkam, war er vielleicht nicht betrunken genug, um einfach aufs Bett zu fallen und sie nicht weiter zu beachten.
    Eventuell ließ er sie nicht zusammengekauert hinter dem einzigen, mottenzerfressenen Stuhl des Zimmers kauern, der nach Rauch und Schweiß stank und hinter dem sie versuchte, sich vor ihm und vor der Kälte zu verstecken.
    Während ihr Atem weiße Wölkchen bildete und in der Dunkelheit verschwand, schlief sie zitternd ein.
    Doch als er zurückkam, hatte er nicht genug getrunken und zerrte sie aus ihrer Ecke.
    »Chicago.« Das Wort brannte wie Gift in ihrer Kehle, und sie legte beide Fäuste auf ihr Herz.
    Und zitterte, zitterte genauso wie in jener kalten Nacht in einem anderen Winter vor langer, langer Zeit.
    Wober war diese Erinnerung gekommen?, fragte sie sich, während sie darum kämpfte, ruhig und gleichmäßig zu atmen und die Galle herunterzuschlucken, die in ihr aufgestiegen war. Woher wusste sie, dass es in Chicago gewesen war? Weshalb war sie sich so sicher?
    Und weshalb war es von Bedeutung? Wütend trommelte sie mit den Fäusten gegen das schmale Fenster. Es war vorüber, war endgültig vorbei.
    Musste es sein.
    Die Analyse wurde abgeschlossen… Beginn der Wahrscheinlichkeitsberechnung…
    Sie schloss kurz die Augen und fuhr sich mit der Hand über den wie ausgedörrten Mund. Das hier, erinnerte sie sich, war das, was für sie zählte. Was sie inzwischen war, was sie inzwischen tat. Die Arbeit, die Gerechtigkeit, die Antworten, die sie auf der Suche nach den Tätern fand.
    Doch ihr Schädel dröhnte, als sie zurück zu ihrem Schreibtisch ging und sich in ihren Sessel sinken ließ.
    Die Wahrscheinlichkeitsberechnung wurde abgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Opfer von derselben Person operiert wurden, beträgt 97,8 Prozent.
    »Okay«, sagte Eve leise. »Okay. Dann hat er sie beide auf dem Gewissen. Und wie viele andere wohl noch?«
    Für eine Antwort auf die Frage reichen die Daten nicht aus…
    »Ich habe auch nicht dich gefragt, du Arschloch«, erklärte sie, beugte sich vor und vergaß, als sie anfing, sich durch einen Datenberg hindurchzuwühlen, das flaue Gefühl in ihrem Magen und das Dröhnen ihres Kopfs.
    Den Großteil ihrer Arbeit hatte sie erledigt, als Peabody bei ihr klopfte, den Kopf hereinstreckte und sagte: »Lieutenant, Rosswell ist jetzt da.«
    »Gut. Super.«
    Eves Augen fingen an zu blitzen, und als ihre Assistentin ihr in das Besprechungszimmer folgte, gab sie sich die größte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie eine Spur von Mitleid mit dem ihr unbekannten Rosswell, zugleich jedoch – denn schließlich war sie nur ein Mensch – eine gewisse Vorfreude auf das Schauspiel empfand.
    Rosswell war ein fetter Kahlkopf. Wenn er zu faul oder zu dumm war, um sich genügend zu bewegen, hätte sein Gehalt zumindest für ein wöchentliches Standard-Körpererhaltungsprogramm sowie, wenn er nur ein Minimum an Eitelkeit besessen hätte, für einen Haarersatz gereicht. Das Interesse an seinem äußeren Erscheinungsbild jedoch kam nicht gegen seine leidenschaftliche Liebe zum Glücksspiel an.
    Selbst wenn das Glücksspiel diese Liebe, statt sie zu erwidern, verhöhnte und bestrafte. Ununterbrochen machte es ihm unverhohlen deutlich, wie unzulänglich er war. Und trotzdem kehrte er fast täglich an die Bakkarat-, Black-Jack-und Roulettetische zurück.
    Er lebte in einer winzigen Einzimmerwohnung einen Block von seiner Wache und nur zwei Minuten von der nächsten Spielhölle entfernt. Wenn er Glück hatte, genügten die Gewinne, um die vorherigen Verluste abzudecken. Meistens jedoch war er wegen irgendwelcher Schulden vor irgendwelchen Knochenbrechern auf der Flucht.
    Einige von diesen Dingen wusste Eve aufgrund der Daten, die sie eben eingesehen hatte. Was sie im Besprechungszimmer hocken sah, war ein ausgebrannter Bulle, der jeden Biss verloren hatte und lediglich hoffte, die Zeit bis zu seiner Pensionierung ginge ohne größere Aufregung vorbei.
    Als sie hereinkam, blieb er, statt zur Begrüßung aufzustehen, in sich zusammengesunken sitzen. Um ihm von Anfang an zu zeigen, wer der Boss war, starrte Eve ihn reglos an, bis er sich mit rotem Kopf erhob.
    Peabody hatte Recht gehabt, bemerkte sie. Hinter der gleichmütigen Fassade lag eine Spur von Angst in seinem Blick.
    »Lieutenant Dallas?«
    »Richtig, Rosswell.« Wortlos bedeutete sie ihm, er könne sich wieder setzen.

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