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Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Titel: Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Feix
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auf sich warten lasse, fliehen würde. Kommissar Schröder hatte pflichtgemäß die Anstaltsleitung informiert, doch dort war man mit einem mitleidigen Lächeln über die Sache hinweggegangen. „Guder und abhauen? Den könnten wir zum Einkaufen in die Stadt schicken, der würde wiederkommen!" hatten die Leute vom Strafvollzug gemeint. Der Exboxer galt bei ihnen als ausgesprochen „angenehmer" Häftling, weswegen er auch von Anfang an außerhalb des Zuchthauses in einem privaten Schraubenmagazin arbeiten durfte.
    Während sein Fluchtkomplize Balk, der wegen diverser Diebstähle und Raubüberfälle elf Jahre Zuchthaus abzusitzen hatte, schon am nächsten Tag wieder eingefangen wurde, blieb Guder verschwunden. Die Kriminalpolizei alarmierte ihre Spitzel innerhalb und außerhalb der Zuchthausmauern. Einer von ihnen brachte kurze Zeit später eine Ansichtskarte, die am 24. Januar morgens 8 Uhr in London abgestempelt worden war. Sie stammte, wie ein Schriftvergleich ergab, von Guder.
    Unter Umgehung des vorgeschriebenen, aber umständlichen Amtsweges über das BKA setzte sich die Bielefelder Kriminalpolizeihauptstelle mit INTERPOL London in Verbindung. Aber dort war Guder nicht mehr auffindbar. Am 18. Februar übergab der Polizeispitzel eine zweite Ansichtskarte. Sie war 15 Tage vorher in Los Angeles abgeschickt worden. Guder war also mittlerweile in seine Wahlheimat zurückgekehrt.
    Obwohl keine Aussicht bestand, daß Guder als naturalisierter USA-Bürger an die Strafbehörden der BRD ausgeliefert würde, blieb ihm die Bielefelder Kripo auf der Spur. Sie schaltete „Stern"-Reporter ein, hängte sich an einen Berliner Boxer, von dem bekannt war, daß er mit Guder verkehrte und demnächst in die USA reisen würde, und benutzte ihn insgeheim als Lotsen. Der Triumph, Guder noch vor dem FBI aufzuspüren, blieb ihr jedoch versagt.
    Wie der Exboxer trotz sofort eingeleiteter Fahndung ohne Geld und Personalpapiere aus der BRD fliehen konnte, blieb ungeklärt. Balk, mit dem er aus dem Zuchthaus entwichen war, sagte, Guder wäre sofort von einem Opel Kadett mit Dortmunder Kennzeichen aufgenommen worden. Wer seine Helferwaren, ob und woher er falsche Papiere hatte und wer ihn mit Reisegeld versorgte, blieb unbekannt. Fest steht nur, daß die Fahndung nicht sehr intensiv gewesen sein kann. Kriminalkommissar Schröder, der 1970 ausführlich über den Fall Guder berichtete, schrieb: „Jeder praktizierende Kriminalist weiß, welchen Effekt Fahndungen dieser Art haben. Oft sind (leider) Fernschreiben und Fahndungsplakate nur noch Alibi für uns selbst."
    Als Guder 1967 die Sparkas-se in Gohfeld überfiel, waren im Fahndungsbuch der BRD nicht weniger als 60000 Personen zur Festnahme und 50000 zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Das ist etwas weniger, als eine Großstadt wie Darmstadt, Herne oder Mainz an Einwohnern hatte. Unter denen, die gesucht wurden, befanden sich allein 171 flüchtige Mörder.

Der falsche Detektiv
    Es war Samstag, der 18. Juni 1966; in Langenberg, einem kleinen Ort etwa zehn Kilometer nördlich von Wuppertal, herrschte beschauliche Wochenendruhe. In der Heegerstraße saß Werkmeister Binder vor dem Fernseher, als plötzlich die Hausglocke anschlug. Nicht nur bei ihm, im ganzen Haus wurde Sturm geläutet. Ärgerlich stand er auf, um nach dem Störenfried zu sehen.
    Draußen wartete ein etwa 14jähriger Junge, der sich in einem erbarmungswürdigen Zustand befand. Sein nackter Oberkörper war mit blutigen Striemen, Hauteinrissen und dünnen Schnitten übersät. Der Junge trug weder Schuhe noch Strümpfe, seine Fußgelenke und Unterschenkel waren mit Brandblasen bedeckt, die Hände mit einer dünnen, aber sehr festen Schnur auf dem Rücken zusammengebunden. Der Werkmeister schnitt kopfschüttelnd die Fesseln durch und fragte den Jungen aus.
    Der stellte sich als Peter Frese aus Wuppertal vor und redete eine Menge verworrenes Zeug. Er hatte offenbar einen schweren Nervenschock. Der Werkmeister benachrichtigte die Polizei und bemühte sich weiter um den Jungen. Schließlich kam ein Polizist und hörte sich Freses Geschichte an. Der Junge sagte, er hätte einen Schlag auf den Kopf bekommen, sprach auch von einer Höhle, von Bewußtlosigkeit und davon, daß er gefoltert worden wäre, daß er schließlich aber an einer Kerze seine Fußfesseln durchsengen und fliehen konnte.
    Der Polizist verzog den Mund. Für ihn war Peter Frese einfach ein Strichjunge, dem ein anderer Homosexueller eine Abreibung verpaßt hatte.

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