Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Ermisch, abgemagert, bleich und offensichtlich schwer mitgenommen, versuchte mit allen Mitteln, der drohenden Verurteilung als ,,gefährlicher Gewohnheitsverbrecher", die zwangsläufig Sicherungsverwahrung bedeutet hätte, zu entgehen. Dabei kam es immer wieder zu Szenen, die nicht der Komik entbehrten. So etwa, als das Gericht in der Beweisaufnahme verwundert feststellte, daß Ermisch vom Finanzamt Essen-Ost einmal eine beträchtliche Steuerrückvergütung überwiesen bekam, noch ehe er überhaupt einen Antrag gestellt hatte.
Auch als der Staatsanwalt einen Antrag der Scheinfirma ,,Phönix-Brennstoffe" präsentierte, der laut Eingangsstempel früher beim Finanzamt einging, als er laut Datum des Antrages überhaupt geschrieben worden war, gab es Gelächter im Saal.
Für Heiterkeit sorgten schließlich auch die Finanzbeamten, die im Prozeß gehört wurden, beispielsweise der Finanzprüfer Vossen vom Finanzamt Düsseldorf-Nord, dem die Überprüfung der Betriebe oblag. Er suchte seinerzeit den Sitz der Firma „Hansa-Export" auf, also jene Souterrainwohnung in der Wittelsbacher Straße. Angesichts der attraktiven, Kognak spendierenden Brigitte Glinga, die ihn obendrein noch zum Essen einlud, war er nach eigener Aussage so verwirrt und aufgeregt, daß ihm gar nicht erst der Gedanke kam, hier könnte etwas nicht stimmen. Typen wie Vossen, der später auch noch reichlich mit Tausendmarkscheinen gespickt wurde, und der Finanzbeamte Bieler, der gleichfalls bestochen war, hatten Ermisch auf Staatskosten zum Millionär werden lassen.
Mit dem Selbstmord von Ermisch wurde der Prozess erneut unterbrochen. Nach insgesamt 72 Verhandlungstagen, am 30. Januar 1970, wurde er endlich abgeschlossen. Brigitte Glinga wurde zu vier Jahren, die ehemalige Steueroberinspektorin des Finanzamtes Essen-Ost und spätere Steuerberaterin von Ermisch, Inge Herchenröder, zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die bestechlichen Finanzbeamten Vossen und Bieler bekamen dreieinviertel bzw. drei Jahre Gefängnis, der Geschäftsführer der Ermisch-Scheinfirma „Phönix-Brennstoffe", Jacob Napoleon Wirtz, zwei Jahre, Brigitte Glingas Vater, Werner Szypa, neun Monate.
Von den über zwölf Millionen D-Mark Beute blieben rund fünf Millionen unauffindbar. Der Rest konnte wieder eingetrieben werden.
Der Steuerbetrüger Ermisch gehörte zu jener Kategorie von Wirtschaftsverbrechern, gegen die die BRD-Justiz mehr oder weniger beherzt vorgeht. Er blieb auch trotz der ergaunerten Millionen ein Außenseiter, dem es nicht gelang, in die exklusiven Kreise vorzudringen. Bewundert von den kleinen, verachtet von den wirklich großen Gaunern, blieb Ermisch aufs Mittelmaß beschränkt.
Zu den großen Gaunern der sechziger Jahre zählte in der BRD der Industrielle Walter Jordan aus Braunschweig, Herrscher über die Industriegruppe Luther&Jordan KG, die 5000 Arbeiter und Angestellte beschäftigte und über ein schier unübersehbares Kapital verfügte. Jordan war einer der ersten und eifrigsten Rüstungsproduzenten der BRD. Als kreditwürdiger Geschäftsmann in der Oberwelt akzeptiert, mit hohen Orden dekoriert und nahezu unbegrenzt kreditfähig, war er gewohnt, mit Ministern zu speisen und Kriminalräte abzukanzeln. Bundespräsident Lübke persönlich hatte ihn zu einem Treffen mit dem Präsidenten der USA, Kennedy, in die Frankfurter Paulskirche eingeladen.
Dieser ehrenwerte Herr Jordan war ein Betrüger. Aber er betrog in einem solchen Ausmaß und auf so hoher Ebene, wie das eben nur Konzernherren können.
Jordan hatte klein angefangen. Er war 1941 in die „Luther KG" als Geschäftsführer eingetreten. Dort stellte er die Produktion sofort auf Kampfflugzeuge um und erwarb sich einen guten Ruf in faschistischen Führungskreisen. In den folgenden Jahren sicherte er sich dann durch üble Tricks und Erpressungen die Alleinherrschaft in diesem Unternehmen.
Als die Adenauer-Regierung zum „Kampf gegen den Bolschewismus" trommelte und die Remilitarisierung und Wiederaufrüstung der BRD unverhüllt forcierte, war Jordan sofort zur Stelle. Sein Konzern hatte praktisch nie aufgehört, Waffen zu produzieren. Als Hitlers Luftmarschall Göring ihm keine Flugzeuge mehr abkaufen konnte, weil er in Nürnberg auf der Anklagebank saß, bekam Jordan bereits von den Amerikanern den Auftrag, Betankungssysteme für ihre Panzer zu bauen. Als Bonn die ersten Steuermilliarden in die Kriegsrüstung steckte, übernahm Jordan den Bau beweglicher Großtankbehälter und die
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