Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Fall Wichmann
Freundin Ursula bei dieser Gelegenheit eingestand, sie selbst hätte Bick und Engel umgebracht.
Als sie das sagte, hatte sie bereits einige Gläser Alkohol und mehrere Schlaftabletten eingenommen. Und fest steht auch, daß die Kriminalpolizei rechtzeitig den Selbstmord verhinderte, also gewissermaßen hinter der Tür bereitstand.
Das war am 3. März 1958, fünf Monate nach dem Hinweis des Malermeisters auf Popp. Inge Marchlowitz wurde nun ebenfalls festgenommen und zur Wiederholung ihres Geständnisses aufgefordert. Doch die Kriminalbeamten bissen auf Granit.
Erst zehn Tage später, nach stundenlangen intensiven Verhören gab sie zu, die beiden Morde allein und ohne fremde Hilfe begangen zu haben. Zu diesem Geständnis soll es, wie der leitende Kriminalrat Rehberg 1961 in schönster Polizeipoesie schilderte, so gekommen sein: „Unendlich langsam quoll aus ihren Augen eine Träne, sie wehrte sich nicht gegen das sie überkommende Gefühl..." Immerhin waren Inges Gefühle für Popp noch so stark, daß sie ihn um jeden Preis zu decken versuchte und den Vernehmern einen Bären aufband. Auch später, als die Kripo ihr in einer Tatrekonstruktion Popps Mittäterschaft technisch nachzuweisen versuchte, blieb sie bei ihrer Version.
Die Rekonstruktion sollte zeigen, ein Mädchen wie Inge Marchlowitz wäre gar nicht in der Lage gewesen, den gesamten Tatablauf samt Leichentransport allein zu bewältigen. Der Nachweis mißlang gründlich. Inge Marchlowitz demonstrierte an-
schaulich, daß sie es sehr wohl allein schaffen konnte. Nur in einem einzigen Punkt widersprach ihre Tatschilderung dem objektiven Befund: So wie sie die Pistole abgefeuert haben wollte, konnten die Schußkanäle, die die Leiche aufwies, nicht entstanden sein. Eines aber hatte die Rekonstruktion zweifelsfrei bewiesen: Inge Marchlowitz mußte die Tat miterlebt haben und an ihr beteiligt gewesen sein. Nun kam es darauf an, sie soweit zu bringen, daß sie die volle Wahrheit sagte. Das war nicht einfach, denn dieses Mädchen hielt sich strikt an das, was Popp ihm beigebracht hatte, als er Ende 1950 aus dem Gefängnis zur Familie Marchlowitz zurückkehrte. Damals war Inge ein niedlicher Fratz mit runden Grübchenwangen, dem der „große Onkel Gerhard" imponierte und der auch ihm imponieren wollte. So wurde Popp, wie das später ein Psychiater ausdrückte, für Inge Marchlowitz eine Art „mephistophelische Vaterfigur", der sie nacheiferte. Wann immer es anging, legte sie vor ihm „Mutproben" ab. Sie verzehrte tapfer und ohne mit der Wimper zu zucken gegen ein Honorar von 10 DM drei Zigaretten. Einmal ließ sie sich die Zunge mit Wasserstoffperoxid verbrennen, ohne zu weinen. Ein andermal entfernte sie sich auf sein Geheiß eigenhändig mit einem primitiven Bohrer einen gesunden Zahn. Später ließ sie sich bei kaltem, regnerischem Wetter nachts splitternackt im Stadtpark an einen Baum fesseln. Sie weinte und klagte nicht und wartete geduldig, bis Popp wiederkam und sie losband.
So ging das jahrelang. Popp erzog Inge zur Härte und brachte
Inge Marchlowitz bei Keginn ihrer Ausbildung und nach den Morden an Bick und Engel. Rechts Gerhard Popp
ihr Dinge bei, die kein Schulplan der Welt vorsieht, nämlich das kunstgerechte Öffnen fremder Schlösser, sachkundiges Lügen und Schießen. So wurde das niedliche und freundliche Mädchen von früher Kindheit an durch einen gewissenlosen Ganoven regelrecht zur Verbrecherin dressiert.
Im Juli 1956, knapp 16 Jahre alt, legte Inge Marchlowitz ihre Gesellenprüfung als Komplizin von Popp ab. An diesem Tage durfte sie ihn erstmals bei einem Einbruch begleiten. Der Coup galt ihrer letzten Arbeitsstelle, einer Gaststätte in Steinhude. Außer ihr und Popp war noch ein Ehepaar beteiligt, aber der Plan schlug fehl. Sie wurden entdeckt und mußten fliehen. Das Ehepaar rannte davon, ohne sich um Popp zu kümmern. Inge Marchlowitz dagegen wartete auf Popp, der die Leute, die den Einbruch vereitelt hatten, mit der Pistole in Schach hielt und rückwärts zur Gartentür ging. Als er stolperte und in die Jauchengrube stürzte, sprang sie sofort hinzu, half ihm heraus und vereitelte seine Festnahme.
„Revolver-Ede", von so viel selbstloser Geistesgegenwart beeindruckt, machte sie von nun an zu seiner Vorzugskomplizin und Geliebten. Popp kalkulierte so: Eine Frau als Raubkomplizin war ideal. Sie konnte sich zur Tat mit wenigen Utensilien als Mann verkleiden und danach zurückverwandeln. Die Polizei aber würde
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