Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Winkelzügen vertraut, wurden sie eine leichte Beute der Beamten vom Betrugsdezernat in Koblenz.
Einige Tage Einzelhaft, ein forsches Verhör, hin und wieder eine versöhnliche Geste - dann legte Susanne Fredericq. das labilste Glied in der Rühle-Crew, ein reumütiges Geständnis ab. Die anderen taten es ihr nach, und was die Vernehmer zu hören bekamen, brachte sie beinahe zum Lachen: Das „todsichere" Lottosystem der Koblenzer Sport-Toto-GmbH war von zwei kleinen Angestellten siebzehnmal innerhalb weniger Monate geknackt worden. Sie erbeuteten dabei einen Betrag von 2 275 927DM und 10 Pfennig, und zwar auf die denkbar einfachste Weise und nahezu ohne Risiko: Ein Verwandter oder Bekannter kreuzte auf dem mit vierzehn Zahlenfeldern versehenen Wettschein nur dreizehn Felder mit jeweils sechs Zahlen an. Das vierzehnte Feld blieb leer. Der Schein wurde dann in irgendeiner Koblenzer Annahmestelle abgegeben. So unvollständig ausgefüllte Scheine hätten eigentlich gar nicht angenommen werden dürfen, doch den Annahmestellen fiel das leere Zahlenfeld so gut wie nie auf.
Der Wetter behielt Schein A und übergab ihn sofort seinem Auftraggeber. Das war entweder Rühle oder Kreuser. Die gaben ihn an Equit weiter, der aus ihm die Annahmestelle erkannte und nun wußte, in welchem Bündel der dazu gehörige B-Schein steckte. Noch am Samstag brachte er Schein B oder notfalls auch das ganze Bündel an sich. Am Sonntag verschaffte er sich die Gewinnzahlen und trug sie auf das leere Feld der Scheine A und B ein. Den B-Schein gab er dann an Susanne Frédéricq weiter. Da in der Lotto-Zentrale Equit alle Arbeiten oblagen, die für die Vorbereitung der Gegenscheinkontrolle erforderlich waren, bereiteten diese Manipulationen keine Schwierigkeiten.
Equit selbst tränkte die Scheine mit einer fluoreszierenden Spezialflüssigkeit, verwahrte sie im Safe und gab am Montagmorgen auch die C-Scheine an die Auswertungsabteilung heraus. Dabei hatte er stets Zeit und Gelegenheit genug, das leere Feld auf dem C-Schein ebenfalls mit den Gewinnzahlen zu versehen.
In der Auswertungsabteilung saß Susanne Fredericq. die den B-Schein unbemerkt in das entsprechende Bündel zurückpraktizieren mußte. War das geschehen, konnte sie den Gewinner „feststellen". Theoretisch hätte ihr diese Manipulation natürlich nicht gelingen dürfen, weil laut Dienstvorschrift der Leiter der Auswertungsabteilung und zwei Polizisten bei der Gegenscheinkontrolle ständig zugegen sein mußten. Doch in der Di rektion der Sport-Toto-GmbH gingen Theorie und Praxis etwas auseinander. Der Abteilungsleiter, stets mit vielen wichtigen Dingen beschäftigt, verschwand nach wenigen Minuten in seinem Büro und warf nur hin und wieder einen Blick durch die Tür.
Die beiden Polizisten aber saßen gemütlich im Nebenraum und frühstückten. Das Lottoglück hätte vermutlich noch viele Male geblinzelt, wäre Susanne Fredericq nicht urplötzlich erkrankt. Nach ihrer Genesung wurde sie in eine andere Abteilung versetzt und hatte mit den Gegenscheinkontrollen nichts mehr zu tun. Allein aber konnte Equit die Sache nicht bewältigen.
Ob ohne Rühles Steuerschulden die Lotto-Betrügereien überhaupt jemals entdeckt worden wären, darf bezweifelt werden.
Am 4. Dezember 1958 verhandelte die große Hilfsstrafkammer am Landgericht Koblenz gegen Jakob Rühle, Peter Kreuser, Manfred Equit, Susanne Fredericq und 15 weitere Personen wegen „Betruges zum Nachteil der Öffentlichkeit". Der Staatsanwalt. den die „unverfrorene Handlungsweise" der Angeklagten „erschütterte", forderte wegen besonders schweren Betruges für 18 der insgesamt 19 Angeklagten Zuchthausstrafen zwischen drei und vier Jahren. Nur einen Wettscheinabgeber wollte er mangels Beweises freigesprochen wissen. Besonders verbittert zeigte sich der Staatsanwalt darüber, daß der Verbleib von mehr als der Hälfte des ergaunerten Geldes, nämlich von 1,25 Millionen DM. nicht aufgeklärt werden konnte.
Die Verteidigung hatte es im Prozeß leicht. Der Fall war von der Öffentlichkeit eher mit Schmunzeln als mit Empörung aufgenommen worden. So konnte denn Rühles Verteidiger dem scharfen Plädoyer des Staatsanwalts triumphierend entgegenhalten, die Primitivität des Koblenzer Wettspielsystems hätte betrügerische Manipulationen geradezu herausgefordert, weshalb von einem „schweren" Betrug natürlich gar keine Rede sein könnte.
Das Gericht war derselben Ansicht. Es verurteilte Jakob Rühle, der insgesamt 900000DM erbeutet
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