Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
gelegentlich gar an ihrer Fähigkeit. Solchen Zweifel vertragen Ortspolizisten nie. Und noch weniger vertragen ihn die Kommunalpolitiker, sofern sie nicht gerade die Opposition bilden. Die Politiker des Landes Bremen heizten den Politikern der Stadt Bremen ein; die machten dem Polizeipräsidenten, der dem Kripochef und dieser wiederum dem zuständigen Dezernatsleiter Dampf, der ihn zum zuständigen Sachbearbeiter weiterleitete. Ihm, dem letzten in der Reihe, blieb aber kaum Zeit, die einzelnen Tatorte zu besuchen, die Tatortbefunde auszuwerten und die Geschädigten und Zeugen zu vernehmen. So häufig war der „Villenschreck" unterwegs. Die Chefs mobilisierten schließlich die gesamte Bremer Polizei. Die Kripo ließ ein „Phantombild" vom Villenschreck in der Presse veröffentlichen. Sechzig Bereitschaftspolizisten wurden für Nachteinsätze in die Bremer Villenviertel abkommandiert. Vor allem an den Wochenenden, der Hauptarbeitszeit des Phantoms, fuhren die Funkwagen der Polizei Sondereinsätze, und Kriminalbeamte leisteten zahlreiche Überstunden. Vom gesicherten Fingerabdruck wurden Vergrößerungen angefertigt und allen Polizeidienststellen mit eigenem Erkennungsdienst zugestellt. Über den Abrollvorrichtungen der Erkennungsdienste hing fortan der Fingerabdruck des Phantoms.
Eine Unmenge von sehr verdächtigen, halbwegs verdächtigen und kaum verdächtigen jungen Männern wurde überprüft. Den nächtlichen Polizeistreifen ging so mancher Gauner ins Netz. Der „Villenschreck" war nicht darunter. Der stieg immer genau dort ein, wo die Polizei gerade nicht war; und war sie einmal in allen Villenvierteln zugleich, pausierte er.
Zeitweise nahm die Kriminalpolizei sogar an, der Villenschreck wäre selbst Polizist und wüßte genau über die Polizeieinsätze Bescheid.
Das Phantom wurde immer dreister. Eines Nachts suchte es eine Villa in der Lüneburger Straße auf. in der im Erdgeschoß gerade eine Feier stattfand. Alle Fenster waren hell erleuchtet, das fröhliche Lachen der Gäste konnte man bis auf die Straße hören. Der Villenschreck schlich ums Haus, bis er an der Rückfront die Blitzableitung entdeckte. Er kletterte zur ersten Etage empor und stieg ein. Sicher wie der Hausherr selbst ging er die
Treppe hinab zum Flur, wo die Garderobe der Gäste hing. Seelenruhig durchsuchte er sie, fand rund 1000 DM und begab sich nach nebenan in die Küche, wo er umsichtig das Fenster öffnete. Als kurze Zeit später der Hausmeister eintrat, saß der Villenschreck auf dem Topfschrank, ließ die Beine baumeln und verzehrte eine Bulette. Der Hausmeister sprang auf ihn zu und packte ihn. Das Phantom entschlüpfte wie ein Aal seinen Fäusten und hechtete aus dem Fenster.
Ein anderes Mal stieg das Phantom in die Villa eines Geschäftsmannes ein, der, umringt von fünf Hunden, vor dem Fernseher saß. Die Hunde begannen zu knurren, doch das Phantom durchsuchte in gewohnter Ruhe den Nebenraum und verschwand bald darauf ungesehen. Nicht selten foppte es die Bestohlenen auch noch: drehte etwa das Radio laut oder knipste das Licht an, ehe es das Weite suchte.
Auch die Kripo wurde von ihm häufig veralbert. An manchen Tatorten hinterließ es sehr verschiedene Schuhsohlenabdrücke, etwa von zwei linken oder solche von unterschiedlich großen Schuhen. Die Kripo hatte dann zunächst auch prompt geglaubt, es mit mindestens zwei Tätern zu tun zu haben. Erst die Aussagen jener Zeugen, die den phantomhaften Villenschreck gesehen hatten, belehrten sie eines Besseren. An einem Tatort verlor der Einbrecher ein Taschentuch, und zwar eines jener Schnupftücher, die die Bundeswehr an ihre Soldaten ausgab. Der den Fall bearbeitende Kriminalbeamte überprüfte daraufhin die mehr als tausend in Bremen stationierten Soldaten. Von allen wurden Handflächenabdrücke genommen und mit den Spurenfragmenten von den Tatorten verglichen. Das einzige, was dabei herauskam, war ein Spitzname für den Kriminalbeamten. Er wurde fortan „Unteroffizier Müller" genannt.
Es ist eine uralte Weisheit: Jeder Serienverbrecher, mag er es noch so raffiniert und intelligent anstellen, begeht eines Tages einen Kardinalfehler. Beim Bremer Villenschreck dauerte es viereinhalb Jahre, bis er sich selbst verriet. Schuld daran war seine Bequemlichkeit. Solange er noch auf Schusters Rappen, das Transistorgerät unter dem Arm, loszog, fiel es ihm nicht schwer, unauffällig durch das immer enger werdende Netz der Polizeistreifen zu schlüpfen. Als er jedoch mit dem Auto zur
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