Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
gesicherten Spuren zur kriminaltechnischen Untersuchungsstelle und wartete auf den nächsten Einbruch. Inzwischen „plagte" sich Uschi D. weiter im Wohlfahrtsdienst ab. Nachts ratterte sie mit eisenbeschlagenem, vollbeladenem Handwagen an Polizeiwachen und Streifen vorbei über holprige Straßen. Daß Uschi sich nicht fürchtete, war allgemein bekannt. Ihre engeren Freundinnen wußten auch den Grund. Uschi galt als eine phantastische Schützin und trug stets eine geladene Pistole im Hosenbund. Deshalb hieß sie Pistolen-Uschi. Später sollte sich allerdings herausstellen, daß Uschi ebensowenig mit einer Pistole wie mir. einer Schöpfkelle umgehen konnte und daß es lediglich ein harmloser Spielzeugrevolver war, den sie mit sich herumschleppte.
Eines freilich konnte sie wirklich: so gewandt klettern wie ein Affe. Das bewies sie schon im Oktober 1961. Uschi hatte damals mit einem gestohlenen Moped einen Verkehrsunfall verursacht und war bewußtlos ins Hafenkrankenhaus eingeliefert worden. Kaum wieder bei Bewußtsein, sprang sie aus einem Fenster des dritten Stockwerkes und verschwand.
Ein knappes Jahr später hatte man sie in die geschlossene Abteilung des Krankenhauses Ochsenzoll gesteckt. Man hatte begonnen, an ihrem Verstand zu zweifeln, weil sie so viele schöne Dinge verschenkte. Die dreieinhalb Meter hohe Mauer, die das Krankenhaus umgab, war für sie kein Problem. Uschi D. quartierte zwei Patientinnen aus ihren Betten aus, baute daraus ein Gerüst und verschwand.
Aber schließlich kam ihr die Kripo mit viel Glück und der Hilfe einer Schwätzerin doch auf die Sprünge. Nach längerer Anstaltsbeobachtung stand Pistolen-Uschi im Januar 1964 vor Gericht. Sie trug diesmal zwar Rock und Bluse, doch mädchenhafter soll sie dennoch nicht gewirkt haben.
„Setzen Sie sich doch", forderte der Vorsitzende. Uschi aber lehnte den Stuhl ab. Sie blieb stundenlang stehen, bis ihre Knie schlappmachten.
Uschi D. gab alles zu und war sogar stolz auf ihre dreißig Einbrüche. Der psychiatrische Sachverständige erging sich lang und breit über das „Problem der Vermännlichung". Er erklärte ihr Verhalten mit negativen Kindheits- und Jugenderlebnissen und hielt sie für völlig normal. Dieses Mädchen hätte sich von der „brutalen Welt der Männer", insbesondere vom brutalen Stiefvater, der ihre Mutter verprügelte, abgestoßen gefühlt und wäre einem Ideal nachgejagt: dem „Kavalier der alten Schule". Weil es an solchen Männern in ihrer Umgebung mangelte, wollte sie ihn selbst darstellen. Das Gericht reagierte nicht gerade kavaliermäßig. Es schickte Uschi D. für fünf Jahre hinter Gefängnismauern, wo sie, wie eine Kriminalreporterin später feststellte, nicht weiblicher wurde, sondern total vermännlichte.
Das Paradepferd
Bis Mitte i960 hatte das Bundeskriminalamt ein Paradepferd besonderer Art im Stall. Es hieß Edgar Bröse, nannte sich Doktor der Philosophie und Diplompsychologe. Bröse war in der Abteilung II; Gruppe KT. Referat KT/U, als Schriftsachverständiger tätig. Schriften, besonders solche, die im Verdacht standen, gefälscht zu sein, waren bis dahin im BKA von Leuten begutachtet worden, die keinen Doktortitel, ja nicht einmal ein „Dipl." vor ihren Namen schreiben durften. So ein nackter Name, höchstens mit einem Dienstrang versehen, hat manchmal Nachteile. Zweiflern und chronischen Querulanten, die stets und gern an allem herumnörgeln, fällt es natürlich viel leichter, das Gutachten eines Herrn „Häberle" anzuzweifeln als das eines „Herrn Doktor Häberle". Kein Wunder also, daß der damalige Bundeskriminalamtschef Dullien große Stücke auf seinen dok-toralen Schriftsachverständigen hielt, größere jedenfalls als auf die anderen, die keine Promotionsurkunde über ihren Schreibtisch hängen konnten. Auch die Anklagebehörden gaben ihm den Vorzug. Wenn Dr. Bröse gewandt mit einer geschmeidigen Verbeugung zu Anklagepult und Richtertisch und mit einem herablassenden Kopfnicken zur Verteidigerbank den Gerichtssaal betrat, spürte jeder sofort: Hier steht ein Mann vom Fach, fest wie eine bundesdeutsche Eiche und unbeirrbar wie ein Jesuitenpater. Wehe dem Testamentsfälscher, der da glaubte, mit eigenmächtigen Korrekturen den Willen des Erblassers verfälschen zu können! Wehe dem geexten Studenten, der sieh eigenmächtig ein Diplom oder gar einen Doktortitel anfertigte! Wo Dullins Paradepferd Dr. Bröse sachverständig wieherte, hatte der Staatsanwalt gut paradieren.
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