Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
seinen Chef Backwaren nach dem entlegenen Kieckbusch brachte. Und wie jeden Dienstag brauchte er auch am 29. November 1966 viel Zeit, mußte er doch mangels einer richtigen Straße über holprige Feldwege fahren. So tuckerte er denn gemütlich mit dem brötchenbeladenen Ford Kombi dahin. In einer Linkskurve hielt er an. Ein Stapel alter Latten lag quer über dem Weg. genau zwischen Gebüsch und Feldrain. Darum herumzufahren war unmöglich, eine hilfreiche Hand weit und breit nicht zu sehen. Kraftfahrer Zappel kletterte also nicht eben erfreut aus dem Wagen und ging auf das Hindernis zu. Er hatte es fast erreicht, als ihn aus dem Gebüsch heraus eine helle Stimme ankrähte: „Hände hoch, oder ich schieße!"
Zappel sah verwirrt zur Seite und bemerkte eine Gestalt im blauen Arbeitsanzug, deren Gesicht durch eine schwarze Pudelmütze verdeckt war. Eine Pistole, deren Laufmündung genau auf Zappels Bauch zielte, unterstrich die Forderung. Zappel riß die Augen auf. „Was ist denn los?" fragte er verwirrt. „Geld her!" krähte es erneut. Nun war Zappel eifriger Fernsehkrimistudent, daher nicht unerfahren, und kombinierte blitzschnell: helle Stimme - junger Bursche: bleibt im sicheren Abstand - hat also Schiß; Schiß aber heißt - er ist Anfänger! An diesem Punkt angekommen, machte Zappel einen gewaltigen Satz wie nie zuvor in seinem Leben und flitzte hinter sein Auto. Riskieren wollte er nichts, schon gar nicht für fremde Brötchen!
Daß der Kerl nicht sofort schoß, machte Zappel Mut. Er lugte durch die Scheiben und sah, daß sich der Straßenräuber zurückzog. Das war Mark für Zappels weiche Knochen. Er schlich zum
Lattenberg, wählte mit Bedacht einen besonders derben Knüppel und blickte sich drohend um. Der Räuber war schon etwa 40 Meter weit weg. Jetzt gab es für Zappel kein Halten mehr. Mit demoralisierendem Kampfgeschrei ging er zur Attacke über. Den Blick entschlossen in die rückwärtige Front des Räubers gebohrt, stürmte er knüppelschwingend vorwärts. Zappel holte auf; als er etwa die halbe Distanz bewältigt hatte, hörte er den Räuber schreien: „Lauft doch nicht weg, kommt und helft mir!"
Zappel stoppte, blickte noch einmal auf das davonwippende Hinterteil des Räubers und kehrte zum Ford zurück. Als er das Gebüsch passierte, in dem der Räuber gestanden hatte, sah er ein Damenfahrrad. Überzeugt, das Tatfahrzeug entdeckt zu haben, nahm er es unter Beschlag, holte aus dem Ford die Kassette mit dem Wechselgeld und radelte zum nächsten Gehöft, dem Windberghof, um die Polizei zu alarmieren.
Kurz vor elf kam der Anruf bei der Kriminalpolizeistelle Eutin an. Um die Mittagszeit traf die Polizei, bestehend aus einem Kriminalobermeister und dem zuständigen Landgendarmen am Tatort ein. Sie sah den Brötchenausfahrer Zappel, das Fahrrad fest im Griff, im angeregten Plausch mit einer jüngeren Frau. Nachdem Zappel sein aufregendes Abenteuer detailliert und mit allen Hintergründen, Zusammenhängen und eigenen Kombinationen geschildert hatte, kam die Frau, Hannchen Klemm, zu Wort. Auch sie hatte ein schreckliches Abenteuer und ganz offenbar mit demselben Straßenräuber. Friedlich und arglos, wie es ihre Natur war. hatte sie Moos gesammelt, 300 bis 400 Meter vom Tatort entfernt, als plötzlich eine vermummte Gestalt hinter ihr auftauchte, die wortlos Hannchens Fahrrad ergriff und in Richtung Windberghof davonradelte. Als sie den ersten Schrecken überwunden hatte, lief sie Täter und Fahrrad hinterher und stieß so auf die Straßensperre und Zappel. Zappels Beutefahrrad gehörte natürlich Hannchen Klemm, wie jeder Bewohner von Kieckbusch bezeugen konnte.
Kriminalobermeister Rettich nahm die Anzeigen auf und notierte die Personenbeschreibung. Sie stimmte in beiden Fällen auffallend überein. Zappel beschrieb. Hannchen brauchte nur noch zu bestätigen. Laut Zappel war der Räuber wahrscheinlich ein junger, dicklicher Bursche von etwa 15 bis 16 Jahren, ungefähr 165 Zentimeter groß, und hatte eine helle Stimme. Er trug einen
blauen Schlosseranzug, große Gummistiefel und eine schwarze Pudelmütze, die das ganze Gesicht bedeckte und in Augenhöhe mit Sehschlitzen versehen war.
„Und irgendwelche Merkmale oder Kennzeichen sind Ihnen nicht aufgefallen?" fragte Rettich.
Zappel kratzte sich hinterm Ohr und sah auf Hannchen. „Das schon", sagte er endlich. „Der Kerl hatte einen richtigen Weiberhintern, dick und schön rund!"
Hannchen bestätigte dies mit einem verschämten „Ja, das
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